„She comes in colors everywhere, she combs her hair, she´s like a Rainbow” tönte es einst von Mick Jaggers sexy Lippen bei den exzessiv-dekadenten-Rolling Stones Sessions der Good Old Rock´n Roll Times. Die Zeiten waren damals intimissimi nicht anders, die Oberfläche dagegen eine Maskierung der tatsächlichen Zustände. Eine „She“ durfte im wahrsten Sinne des Wortes nur eine „She“ sein - im zwanghaften Undercover-Wirrwarr der Gefühle war „She“ bereits ein „He“ oder ein „It“.
Der Aufbruch Richtung Freiheit und Toleranz begann in den Morgenstunden am 28. Juni 1969 in New York. Die Polizei inszenierte eine Razzia im Schwulen- und Lesbenlokal “Stonewall Inn” in der Christopher Street, gelegen im liberalen Künstlerviertel Greenwich Village, wo sich schon seit der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen viele Homosexuelle niedergelassen haben. Solche Razzien waren in derartigen Kneipen und Clubs an der Tagesordnung, und es war auch keine Seltenheit, dass die Polizei die Betroffenen zusätzlich an den Pranger stellte, indem sie deren persönliche Daten an Zeitungen zur Veröffentlichung weitergab. Auch willkürliche Verhaftungen wegen Küssens und Händchendhaltens in der Öffentlichkeit gehörten für Homosexuelle schon zum Alltag.
Doch an diesem Morgen, um ca. 1 Uhr, war etwas anders - es kam aus ungeklärten Gründen zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf sich die Polizisten in der Unterzahl sahen und sich verblüfft in die Bar zurückziehen mussten. Zur Eskalation der Situation trugen beide Seiten bei: Die Polizei verprügelte wahllos Menschen, und die Menge versuchte das Stonewall Inn, in dem sich die Polizisten verschanzt haben, in Brand zu setzen. Die Bilanz dieser Nacht: 13 Verhaftungen und zahlreiche Verletzte, darunter vier Polizisten. Das Ergebnis dieser Nacht: Die Geburt der Schwulen-Bewegung. Denn die Homosexuellen zogen sich nicht zurück, sondern demonstrierten gegen ihre Ungleichbehandlung und standen auch an den nächsten Tagen wieder zu Hunderten vor dem Stonewall Inn. Fast 40 Jahre später erinnert bei den bunten Paraden am Christopher Street Day nur noch wenig an diesen blutigen Tag im Juni 1969 - doch der Kampf um Gleichberechtigung dauert weiter an.
In Wien, 2004 von Europas größtem Homosexuellenmagazin zur „preferred gay lesbian City“ gewählt und durch Veranstaltungen wie dem Life-Ball oder dem Rosenball hell erleuchtet im Gay-Scheinwerfer-Light, fand am 30. Juni das alljährliche CSD-Main-Event statt, die bis dato bereits 12. Regenbogenparade, die bei warmen Sonnenstrahlen mehr als 120.000 Besucher anlockte und dieses Jahr über den halben Ring „andersrum“ bis zur Endstation Schwarzenbergplatz führte. Motto 2007 „Sei, wie du bist“ - sic est. Schwule, Lesben, Transsexuelle und für Freiheit und Toleranz eintretende Heteros bevölkerten in buntem, schrill-schickem Outfit die Straßen und forderten mit flottem Party-Sound, Dancing-Mood und extravaganten Parolen wie „Kein Sex vor der Homoehe“, „Smash the State - Masturbate“ oder „Standesamt statt Eurofighter“ das, was in streng katholischen Ländern wie Spanien bereits verwirklicht worden ist - die Möglichkeit der Eheschließung (bzw. einer eingetragenen Partnerschaft) und die rechtliche Gleichstellung Homosexueller.
Unter den sexuell freizügigen Teilnehmern der Regenbogenparade befanden sich auch die bizarre Wiener Sado-Masochismusinitiative Libertine (http://www.libertine.at/), die Gay-Boys vom populären „Why Not“-Clubbing, der Swinger-Club Le Swing (http://www.club.leswing.at/), die Autonomen Trutschen, die „Schwul ist Männlich“-Pensionistencombo, der multikulturell konzipierte „Ostklub“ (Motto: „Der Balkan beginnt am Rennweg“ - Zitat Metternich) und die abschließende Straßenreinigung von der MA 48 mit dem kongenialen Spruch „Make Love Not Waste“.
Gay-Promi und Ex-„Made in Austria“-Moderator Günther Tolar begleitete den Truck der Sozialistischen Homosexuellen SoHO, U 4-Doorman und Falco-Freund Conny fotografierte wie meine Wenigkeit just for fun, die Kremser Szeneikone Gerry tanzte, just for fun, neben der wogenden Regenbogenfahne. Ob er an diesem Abend sein Wiener Pendant, Life-Ball-Organisator Gary Keszler, inmitten der Party-Community getroffen hat, bleibt ungeklärt. Dieser trieb sich auf jeden Fall nach der Parade mit Opernstar Birgit Sarata auf der Open-Air-Abschlussveranstaltung am Schwarzenbergplatz herum. Dort präsentierte überdreht und lebenslustig Miss Candy (blasse) Acts wie die „Jetzt anders“-Starmaniacs und Marla Glen, Starmania-Sex-Symbol und AIDS-Präventionsmodel Tanja (mit Luftgitarristin) und die geile „Saturday Night-Fever“-Crew (mit Klassikern von Abba, Boney M., Elton John, Bee Gees und der Rocky Horror Picture-Show). Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die Grenzen zwischen den Geschlechtern und der sexuellen Orientierung verschwommen.
Zumindest an diesem Abend. In der Realität ist dieser Status noch lange nicht erreicht - Diskriminierungen im Arbeitsleben, bei der Vergabe von Wohnungen und im Privatleben (vorwiegend auf dem Land und in unterprivilegierten Schichten) sprechen eine andere Sprache. Man darf die Hoffnung aber nicht aufgeben - auch das ist eine Botschaft derartiger Veranstaltungen und Paraden. See you next Year again !