Donaufestival 2008 - Angst, Obsession, Beauty

„Wenn wir so voll wären, dass die Leute in Trauben bis vor dem Fußballstadion stehen, dann wären wir gescheitert“ - so der Organisator des Kremser Donaufestivals, Tomas Zierhofer-Kin im ORF-„Kulturmontag“ kurz vor Mitternacht. Diese Angst braucht der extravagante Kulturmanager zumindest bezüglich der Kremser Bevölkerung nicht zu haben, wusste doch peinlicherweise keiner der 10 in dieser Sendung befragten Bürger jeglichen Alters zwischen 10 und 70, dass in der Donaumetropole überhaupt ein schrill, schräges, tabuloses Festival unter dem Titel „Angst, Obsession, Beauty“ stattfindet. Und das mit über 1000 Besuchern pro Tag aus der Indie-, Dreadlock-, Art- und Alternativszene.

 

Im Stadtpark kreiert der Kremser Designer Rainer Prohaska, 2006 Erfinder des legendären „Matratzenlagers“, im Rahmen des Architekturprojekts „Gazebo Extensions“ eine Metamorphose des traditionellen Pavillons. In einem aufblasbaren durchsichtigen Iglu minimalisieren Amber & Gold einen bekannten Popsong in seine originärsten Bestandteile. 

 

Düstere „Terminator“-Endzeitstimmung vor der Österreichhalle - „The Mystery of the Enchanted Cars“ der Performance-Künstler Toxic Dreams adaptiert Schrottautos zu Bühnen, Wohnzimmern und Konzerthallen, bei der verwilderte Drummer sich musikalisch selbstverwirklichen und mit Erdbeermarmelade beschmierte Exzentriker industriellen Geschlechtsverkehr betreiben. Ohne Wasser, Essen, Kleidung und Decken sitzt der „Überlebenskünstler“ Jörn J. Burmester in einem beim Stadtpark geparkten Auto, bittet die Besucher des Donaufestivals unter dem Motto „Feed me“ um milde Gaben und zeichnet dabei ein Psychogramm der Bevölkerung. Sogar der bizarre Fall Hirtzberger ist Thema seiner zeitgenauen Aufzeichnungen.

 

In den Hallen des Donaufestivals Performances, Shows und Soundstakkatos meilenweit des peripheren Mainstreams, darunter Gay-Outsider Bruce LaBruce, Paul Poets „Satan Mozart Moratorium“, H.A.P.P.Y.´s Musical rund um Karl Lagerfeld und Amy Winehouse am Damenklo, „Shortbus“-Protagonist Scott Matthews, der blutspritzende H.I.V.-infizierte (!) Body-Art Performer Ron Athey, die Lesbian Hip Hopper Bunny Rabbit, Ann Liv Youngs Nackttanz-Riot-Girls und der Field Recording-Soundgrenzgänger Amon Tobin. In der Halle 2 vertreten Österreichs Alternativ-Trendsender FM 4, der im Rahmen der „Queers of the Stoneage“-Night die lesbisch-schwule-hetero Community mit brillantem Indie-Sound von MGMT, Hot Chip und den Brooklyn-Hedonisten Hercules & Love Affair zu fanatischen Tanzattacken verführte (und gleichzeitig damit unterstrich, wie langweilig-anödend der visionslose Electro-Sound diverser überbezahlter House-DJ´s ist).

 

Die sechsköpfige britische Formation „The Go- Team“ aus Brighton, seit ihren U.K.-Hits „Ladyflash“, „Grip like a Vice“ und „Doing it right“ on Heavy Rotation auf Radio 1 und in diversen Trend-Clubs all over the world, verbannte die morbide Friedhofsstimmung mit den ersten Takten ihrer fröhlichen Pop-Songs auf den Hinterausgang der Halle 1 - Motto: Salt n´Pepa goes Manchester Rave, allen voran die cheerleaderartig gestikulierende Rapperin Ninja, die inmitten von Gitarren, schnellen Hip Hop Beats und Mundharmonica-Blockflöten-Samples für frenetische Stimmung im Publikum sorgte, auch wenn dieses naturgemäß Schwierigkeiten hatte, sie bei ihrer Vocal-Akrobatik zu supporten.

 

Das durch die Berliner Love Parade bekannte New Yorker Elektro-Pop-DJ-Duo Fischerspooner beendete mit technoiden Beats Sonntag früh das bizarre Treiben des Donaufestivals - an 7 Festivaltagen besuchten 10.764 Personen die 80 Veranstaltungen, Auslastung 74 %. Ein großer Erfolg, und zwar trotz des großteils wenig massenkompatiblen Programmes.