Der 1970 in Ostdeutschland geborene Patrick Pulsinger gilt als Wegbereiter der österreichischen Techno-Szene, nun betrat der strikt unkommerziell agierende Elektronik-Pionier ungewohntes Terrain, die Bühne der Brachial-Komiker Stermann/Grissemann in der ORF-Show „Willkommen Österreich“. Wo er gleich zu Beginn ungeniert gefragt wurde, ob er „so wie David Guetta 180.000 Euro für ein 2 Stunden-Set kassiert, fürs Anstecken eines USB´s und die massentaugliche „Herz“-Hand-Pantomime“.
Diese Frage kann eine sympathische DJ-Frohnatur aus der Minimal-Techno-Ecke wie Pulsinger sowieso nur mit einem sympathischen Lächeln beantworten. Umso interessanter die umtriebige Lebensgeschichte des DJ´s, Produzenten und Remixers. 1980 kam er aus der DDR nach Österreich in die biedere Steiermark, tauschte „Freundschaft“ mit „Grüß Gott“ und ließ sich 1988 dann in Wien nieder. 1992 emigrierte er nach New York (laut Wikipedia angeblich des Wehrdienstes wegen), wo er den deutschen Techno-DJ Hell kennenlernte. Der Big Apple war aber nicht so sehr das Highlight seiner elektronischen Nischenmusik – wenig Enthusiasmus, immer die gleichen Leute in der Szene. Es ging daher zurück nach Wien, wo er gemeinsam mit Erdem Tunakan das Label Cheap Records Vienna gründete. Legendär der eingespielte Beitrag in der Stermann&Grissemann-Show, wo Pulsinger in „Generation X“ anno 1994 über das damals progressive Internet und Fax-Geräte plauderte, inmitten von düsteren Techno-Underground-Impressions der Wiener Szene, die damals lebendiger war als in New York City.
Es folgten zahlreiche Plattenproduktionen (auch für das Münchner Label Disko B), die Soundtracks für „Tempo“ und „Nacktschnecken“ bzw. Remixes für Stars wie Grace Jones („I´ve seen that Face before“) oder den genialen Pet Shop Boys („Flamboyant“). Vom Label zog sich Pulsinger 2003 zurück, seine Popularität in der elektronischen Szene bleibt aber ungebrochen. Und das „ohne Noten zu lesen zu können, was die Musik auch abstrakter und spannender macht“. Dies gilt auch für seine neue Live-Produktion „Besides Feldman“, einer elektronisch variierten Hommage an den zeitgenössischen Komponisten Morton Feldman, die im Rahmen der „Wien modern“-Festwochen 2010 aufgenommen wurde. Subtiler anti-massentauglicher Geschmack, der aber auch auf Amazon angeboten wird.
Natürlich ist Patrick Pulsinger auch noch als DJ weltweit unterwegs, „obwohl man bei 10 Stunden Fliegen und 2 Stunden Djing von den Weltstädten wenig mitbekommt“. Ihn zieht es aber sehr gerne auch in kleine Clubs mit 200-300 Leuten. Die Gage zwar geringer, die Intimität und das kollektive Feeling aber intensiver. Vielleicht auch mal wieder im Kremser Tube, wo er bereits im November 2009 im Rahmen einer „Simplistics“-Night die Turntables rockte...
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tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 10:39)
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