"Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?" – Fragen, die man sich getrost jeden Tag bei der Zeitungslektüre oder der Internet-Recherche stellen kann, wenn man sich die neuesten Enthüllungen zu den Korruptionsaffären rund um Grasser, Hochegger, Strasser, Mensdorff Pouilly & Co. zu Gemüte führt. Tatsächlich aber stammen diese Zitate aus dem Jahre 1928, Textdichter ist der weltbekannte, renommierte Dramatiker Bertolt Brecht, das dazugehörige Werk „Die Dreigroschenoper“, „eine Oper, die so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können.“
Das Wiener Volkstheater präsentiert derzeit das „Stück mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern“ in einer neuen, modernen Version unter der Regie von Michael Schottenberg. Und hat damit großen Erfolg, sind doch nahezu alle Einzeltermine komplett ausverkauft. Im Mittelpunkt des originär aus dem 18. Jahrhundert stammenden Stücks (The Beggar´s Opera, John Gay) steht die Konfrontation zwischen Jonathan Jeremiah Peachum, dem Chef einer mafiösen Bettlerorganisation (dessen Figur an den historischen Londoner Verbrecherboss Jonathan Wild angelehnt ist), und dem skrupellosen Verbrecher und Frauenhelden Macheath alias Mackie Messer, gespielt von Marcello de Nardo im Stile eines rotgekleideten Billy Idol-Neo-Punks.
Mackie Messer heiratet heimlich die Tochter von Peachum unglamourös in einem Pferdestall und zieht damit dessen Groll auf sich. Der Verbrecher genießt aber den Schutz des korrupten Polizeichefs von London, Tiger Brown, der sogar bei der Hochzeit zugegen ist. Verraten durch eine seiner früheren Geliebten, der vom Leben gezeichneten Hure Jenny (gespielt von Schottenberg-Frau und Ex-Austro-Popperin Maria Bill), wird er allerdings im Hurenhaus von Turnbridge festgenommen. Vor allem jene Szenen sorgten im Wiener Volkstheater für erotisches Prickeln, zeigten sich doch die Protagonistinnen komplett unverhüllt und sexy. Im Gefängnis kommt es dann zum Zusammentreffen von Mackies Gespielinnen, Polly und Lucy, der Tochter des Polizeichefs, im Rahmen deren „Eifersuchtstiraden“ der Verbrecher fliehen kann. Doch seine Leidenschaft für die Fleischeslust wird ihm ein weiteres Mal zum Verhängnis.
Was die „Dreigroschenoper“ besonders auszeichnet, sind die von Kurt Weill produzierten Songs, die in vielen Variationen ebenso wie der von den Doors später aufgenommene „Alabama Song“ noch heute zu absoluten Meisterwerken zählen, egal ob sie nun „Die Seeräuber-Jenny“, „Der Kanonensong“, „Die Zuhälterballade“ oder „Die Ballade vom angenehmen Leben“ heißen. Am bekanntesten ist wohl die „Moritat von Mackie Messer“, gesungen als Prolog und Epilog von Patrick Lammer, mit diesem populären Reimauszug: Und der Haifisch, der hat Zähne. Und die trägt er im Gesicht. Und Macheath, der hat ein Messer. Doch das Messer sieht man nicht. An ’nem schönen blauen Sonntag. Liegt ein toter Mann am Strand. Und ein Mensch geht um die Ecke. Den man Mackie Messer nennt.
Noch schärfer als die scharfzüngigen, revue-artigen Songs ist aber die Message des Stücks, dass nämlich trotz aller Missetaten die Verbrecher nicht auf der Strecke bleiben, sondern ein glamouröses Happy-End zelebrieren. Etwas, das wir alle nicht hoffen, wenn die derzeit laufenden gerichtlichen und parlamentarischen Untersuchungen gegen korrupte Politiker, Banker und Berater abgeschlossen sind...
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tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 10:42)
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