„Sie habe ihr Amt mit allen Fasern ihres Körpers ausgeübt“ – Esoterische Abschiedsworte des neuen Kremser Bürgermeisters Reinhard Resch an die scheidende ÖVP-Vorgängerin Inge Rinke am Tag seiner Angelobung. Die Freude der Sozialdemokraten über den überraschenden Sieg bei der Kremser Gemeinderatswahl vom 7. Oktober in der schwarzen Pröllistan-Hochburg Niederösterreich ist verständlich, stellte doch die SPÖ seit 1955, dem Geburtsjahr des Primars, keinen Bürgermeister mehr. Sie ist allerdings endenwollend, betrachtet man das Wahlergebnis genauer.
Die Wahlbeteiligung betrug nur 62,6 %, es gab – trotz dramatischer Verluste der ÖVP – für die Roten nur periphere Stimmengewinne, und das „neue“ Team besteht vorwiegend aus Apparatschiks, ÖBB-Beamten, Pensionisten, Kämmerern, Vater-Söhnchen-Grüppchen und hyperlinken, sozialdemokratischen Freiheitskämpfern. Nicht im Gemeinderat sitzt Ewald Sacher, seine Forderung nach „Bläserklassen“ in Volksschulen – bei 500.000 Analphabeten in Österreich – verhallt ungehört im Nationalrat.
Großer Verlierer der Oktoberrevolution 2012 war die ÖVP: Minus 10 % und 5 Mandate weniger. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Person Rinke (wie es „Parteifreund“ Sepp Deissenberger in der NÖN verlautbarte), Machtarroganz, das Parkchaos, die Gebührenerhöhungen, Freunderlwirtschaft, unlautere Parteiwerbung (wie die GEDESAG-Brieferl des neuen Obmanns Graf). Gelernt hat man daraus nichts: Im neuen ÖVP-Gemeinderat sitzen keine Visionäre und Quereinsteiger, sondern vorwiegend lethargische Alteingesessene, Parteiangestellte, Ehefrauen von ÖVP-Granden und Kirchenfunktionäre, die sich nach der Sitzung fragen „Was wor mei Leistung“. Junge Schwarze, die monatelang frischen Wind für eine an sich antiquierte Partei machten, wurden brutal ausgebootet und haben das Nachsehen.
Die Freiheitlichen unter Führung des Nationalratsabgeordneten und Vorsitzenden des Korruptionsuntersuchungsausschusses, Dr. Walter Rosenkranz, halten jetzt bei 3 Mandaten – die Apothekerin Ulla Oswald ist neu dabei – und stellen jetzt mit Dr. Werner Friedl wieder einen Stadtrat. Ein neuer Facebook-Auftritt, formidable Themen wie Parkzonen-Aus, direkte Demokratie, Korruptionsbekämpfung oder Event-Förderung, die österreichweite Popularität des Spitzenkandidaten Walter Rosenkranz, HC Strache am Tag vor der Wahl 12 Stunden lang live in Krems am Täglichen Markt, im Schmankerl, bei einem UHK-Handball-Match und im Clubbing-Fever (Oktoberfest, Spotlight Birngruber) – die FPÖ hat sich bei dieser Wahl einen noch höheren Zuwachs erwartet. Ein unentschuldbarer Vorfall auf dem Oktoberfest, allgemeine Parteienverdrossenheit, die geringe Wahlbeteiligung der „Wutbürger“ oder der Antritt von vielen Kleinparteien, die Gründe des beschränkten Höhenfluges sind ungewiss.
Zugelegt auf 2 Mandate haben die Kommunisten, Engagement und Bürgernähe sind KLS-Chef Wolfgang Mahrer auch auf keinen Fall abzusprechen, Hammer und Sichel sollten aber schon langsam in der stalinistischen Mottenkiste verschwinden. „Winke Winke, Baba Rinke“ – der Wahlslogan der Grünen unter der Führung der jungen Sandra Mayer sollte sich bewahrheiten. Ansonsten liegt man mit 5 % hinter den Bundes- und Landesergebnissen, sitzt aber nun wieder mit 2 Mandaten im Gemeinderat. Ebenso wie die UBK, eine unabhängige Bürgerliste rund um den Kaufmannschafts-Granden Adolf Krumbholz, der mit fleißiger Arbeit und eigener Parteizentrale in der Unteren Landstraße auf Anhieb 664 Wähler für sich begeistern konnte.
Nicht auf den Wahllisten erschienen die Piraten, die trotz ausreichender Unterstützungserklärungen keinen Kandidaten namhaft machen konnten. Als Solist dagegen agierte Franz Stieger unter dem Pseudonym „Gerechtigkeit für Krems“ – der im Dauerclinch mit Politikern, Behörden und Rechtsanwälten befindliche Aktionist konnte immerhin 182 Stimmen für sich verbuchen und machte – nach der Wahl – die 1,8 Promille-Fahrt des Kremser Gerichtshofspräsidenten publik. Geplant ist auch ein Antritt bei der niederösterreichischen Landtagswahl – 50 Unterstützungserklärungen im Wahlkreis Krems werden wohl leicht aufzutreiben sein.
Seit nunmehr 10 Jahren gibt es Querelen an der HLF Krems hinsichtlich der Direktorenbestellung. Ob Martine Hrubesch, die vor den Höchstgerichten bezüglich politischer und geschlechtlicher Diskriminierung recht bekommen hat, schlussendlich wirklich Direktorin wird, wird der formale Rechtsakt in den nächsten Wochen zeigen. IMC-Chef Boyer drängt auf eine Verlegung der Justizanstalt (die mehr als 40 % Ausländer beherbergt) und eine Ausweitung der Fachhochschulen, die finanziellen Mittel dafür dürften aber laut Justizministerin Karl nicht vorhanden sein. Das Streitthema „Polizeistation in der Innenstadt“ wurde von Dr. Walter Rosenkranz in den Nationalrat transferiert, dort aber von Vertretern der SPÖ (die in Krems für eine Wachstube eintritt) von der Tagesordnung genommen.
Abgelehnt aus unerfindlichen Gründen wurde vom heftig umstrittenen Gestaltungsbeirat ein moderner ÖAMTC-Gebäudeentwurf an der Bertschingerstraße. Ebenso verworfen wurde ein Hotelprojekt der Winzer Aigner und Zöhrer nahe der Wiener Straße. Die nunmehr abgewählte Bürgermeisterin Rinke forderte stattdessen eine Hotelkette direkt am Erholungsgebiet Donau, während FPÖ-Kandidat Oliver Plischek hier für eine Event-Strandbar (a la Hermann) mit Sportplätzen, Liegen, Speaker´s Corner und Veranstaltungen auftrat.
Sportlich gesehen wird es für die beiden Kremser Galionsvereine KSC und UHK Krems spannend im neuen Jahr. Der UHK Krems, 2012 unglücklich gescheitert gegen Tirol im Semifinale, versucht ab Februar 2013 sein Glück neu im Meister Play-Off der HLA. Der Kremser SC hat sich u. a. von Mark Langstadlinger getrennt (der als DJ James Illusion beim St. Pöltner Beatpatrol 2012 für Furore sorgte), verpflichtete zwei neue tschechische Legionäre und plant – unter der Fittiche des neuen Teammanagers Frenkie Schinkels – in den nächsten Jahren den Aufstieg in die 1. Landesliga. Ob es schon 2013 klappt, wird sich weisen – 8 Punkte Rückstand sind im Frühjahr bei einem aktuellen Platz 6 und 13 ausstehenden Spielen schwierig aufzuholen.
Kultureller Hot Spot in Krems ist weiterhin die seit 1995 bestehende Kunsthalle Krems – die Ausstellungen 2012 drehten sich um „Wunder“ (mit Yoko Ono als Stargast), „Zeit zu handeln“, den französischen Art-Dandy Francis Picabia („Ich nehme nichts ernst, außer nichts ernst zu nehmen“), „Candylabber“ Thomas Feuerstein und die russische Emigrantin Anna Jermolaewa, die eine der inhaftierten „Pussy Riots“ in einem sibirischen Straflager aufspürte.
„In anderen Städten gibt es Konzerte, Plätze, Parks,..., in denen die jungen Erwachsenen Raum bekommen. Für meine Generation (18-30) gibt es in Krems jedoch keinerlei Angebote und Aktivitäten.“ – ein trauriger und gleichzeitig vernichtender NÖN-Leserbrief einer enttäuschten Kremserin über die hiesige Nightlife-Szene. 2012 war es besonders schlimm.
Abgesehen davon, dass es in Krems kein Veranstaltungszentrum wie nahezu überall in der Zivilisation gibt und die Clubbings von Martin Neger und Alexander Lengauer zumeist in den desolaten, von Knebelungsverträgen belasteten Österreichhallen stattfinden müssen, griff die „Stenzel von Krems“, Ex-Bürgermeisterin Rinke, sogar eine „heilige Kuh“ an, die Steiner Beislparty, die – jährlich von 25.000 Besuchern frequentiert - im 20. Jahr ihres Bestehens abgesagt wurde. Sicherheitsbedenken wegen eines vorjährigen Raufhandels mit gerademal 20 Beteiligten und Anrainerbeschwerden verhinderten die beliebte Summernight Party an der Steiner Donaulände, über 1.000 Unterstützer der Facebook-Initiative „Save the Party“ hatten keine Chance gegen das schwarze Machtmonopol am Magistrat Krems. Dagegen nicht im Visier der Behörden standen jene Feste, die von ÖVP-protegierten Gastronomen veranstaltet wurden. Stichwort: Marillenfest Stein. Ein eklatanter Fall von Günstlings- und Freunderlwirtschaft.
Geschlossen wurde das beliebte „Cheers“ an der Steiner Donaulände, dort sollen jetzt Büroräume rein. Das „Fifty Fifty“ im Gewerbepark kann ab sofort gemietet werden. Und das (einzige) Clubbing-Epizentrum der IMC-Studenten, die Und Lounge, hat seit Ende Juni 2012 geschlossen – man verhandelt jetzt schon seit 7 Monaten um eine neue Betriebsanlagengenehmigung. Schikanen der Behörden, Schlampereien im Verfahren oder Querulanten unter den Anrainern ? Man weiß es nicht genau. In der Zwischenzeit eröffnete Alexander Lengauer, der im Juli seine langjährige Freundin Betty heiratete, gemeinsam mit Tiffy und DJ Dürnstein den „Zucker Berg“ im Stadtgraben. Das älteste Lokal der Stadt (früher „After Eight“, „Spiegel“, „Avalon“ oder „Tube“) bietet jetzt Soundstuff jeglicher Art – neben der im Wiener U4 arrivierten Clubbing-Marke „Addicted to Rock“ und Minimal Techno-Nights präsentierten dort schon Star-DJ´s wie der Hamburger Denis the Menace oder die extravagante Ukrainerin Marika Rossa DJ Culture at ist best. Selbst ORF-Moderator Alfons Haider düste nach der Starnacht in Rossatz (mit Künstlern wie Amy McDonald, Ambros, Simone oder Michelle) kurz auf einen After Hour-Drink in die modernisierte Club-Bar.
Was wird das Jahr 2013 bringen ? Hoffentlich engagierte Parteien (inkl. Team Stronach ?) und motivierte Bürger, die sich die Untätigkeit, die Inkompetenz und Visionslosigkeit diverser Politiker und Funktionäre nicht mehr länger gefallen lassen und öffentlich Druck machen. Man darf gespannt sein, ob Bürgermeister Resch seine durchaus gefälligen Ziele (Neues Parksystem, Stadtentwicklungskonzept, Ausschreibung eines Baudirektorpostens, Bürgerbeteiligungsmodelle) durchsetzen kann. Erste Belastungsprobe wird die Fixierung des neuen Budgets sein. Wetten würde ich nicht darauf abschließen...
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tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 10:50)
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