Ein Verwaltungslehrling als Sozialminister, eine zahnärztliche Assistentin als ÖBB-Strategin oder ein Maturant als (kolportierter) Außenminister ? Irgendwie passen die Lebensläufe, Stärken und Qualifikationen der Regierungsmitglieder nicht mit ihren Funktionen zusammen. Und schuld daran sind Freunderlwirtschaft, Vereinsmitgliedschaften, Länderdominanz und Parteiorganisationen, die für eine derartige katastrophale Personalpolitik bei den Regierungsparteien sorgen.
Ein öffentliches Hearing im Parlament, das live im Fernsehen und im Internet übertragen wird, könnte derartigen Entwicklungen entgegenwirken. In den USA wird dies seit Jahrzehnten praktiziert, wo sich Minister vor dem US-Repräsentantenhaus unbequemen Fragen aussetzen müssen. Ein ähnliches System existiert bei der EU-Kommission: Die vom Kommissionspräsidenten nominierten Kommissare (derzeit 1 pro Mitgliedsland) müssen sich einem Hearing vor dem Europäischen Parlament stellen, das anschließend zwar nicht einzelne Personen, aber die gesamte Kommission als Ganze ablehnen kann.
In Österreich könnte dieses Procedere im Nationalrat stattfinden, wo nicht nur die Abgeordneten, sondern auch ausgewählte Experten aus den einzelnen Ressortbereichen die neuen Minister zu ihren Visionen, Strategien und ihrem Fachwissen befragen könnten. Dies hätte von vornherein einen doppelten Selektionseffekt: Einerseits werden die Regierungsparteien keine braven Partei-Amigos ohne Fachkompetenz in derartige Ämter hieven (um sich nicht zu blamieren), andererseits werden sich fachlich unversierte Parteileute davon hüten, ein Ministeramt anzustreben, wenn sie danach öffentlich im Nationalrat zerpflückt werden. Umgekehrt kann sich ein neuer Minister durch einen kompetenten Auftritt Respekt vor dem Nationalrat, der Bevölkerung und den Medien verschaffen und wird es vielleicht danach auch leichter haben, unbequeme Reformen durchzusetzen.
Die derzeitige Situation ist auf jeden Fall untragbar: Ein unfähiger Bundesminister kann de facto nur durch ein Misstrauensvotum des Nationalrates des Amtes enthoben werden. Da im Nationalrat die Regierungsparteien die Mehrheit haben, handelt es sich um totes Recht. Ein Bundesminister verdient 14mal im Jahr ca. 16.000 Euro brutto und hat als weisungsungebundenes, oberstes Verwaltungsorgan besondere Machtkompetenzen und Einflussmöglichkeiten. Ein Hearing erscheint in einer modernen Demokratie daher unumgänglich...
Kommentar schreiben
tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 10:55)
1