Sie sind die dunkle, negative Seite des Internets und der Social Media: Hass-Postings gegen Ausländer, Frauen, Migranten, Schwule oder „schlicht“ gegen Andersdenkende. Die junge digitalversierte Ex-„Falter“ und nun „Profil“-Journalistin Ingrid Brodnig hat sich dieses hochspannenden Themas angenommen und darüber ein Buch geschrieben. Lapidarer Titel „Hass im Netz“.
Unter der Moderation von Barbara Blaha, einst ÖH-Chefin, jetzt Programmleiterin im Brandstätterverlag, wurde Brodnigs neues Werk in der Buchhandlung Morawa in der Wollzeile präsentiert. Zu den prominenten Besuchern zählte auch die Grünen-Chefin Eva Glawischnig, die mittels eines ihr untergeschobenen Zitats selbst Opfer einer Facebook-Attacke wurde. Und beileibe nicht die einzige. Brodnig erzählt beispielsweise von der Caritas-Fundraising-Leiterin Bettina Riha-Fink, die aufgrund ihres Engagements für Flüchtlinge mit Vergewaltigung bedroht wurde. Auch ein Angriff auf ihre Kinder wurde dezidiert in Postings genannt. Vor allem in derartigen gravierenden Fällen sollte man laut der Autorin auch zu juristischen Schritten greifen. Delikte wie gefährliche Drohung, Verhetzung oder Beleidigung seien ja sowohl offline als auch online strafbar.
Warum gerade im Internet die Aggression überhandnimmt, führt Brodnig auf die besonderen Rahmenbedingungen zurück. Der Psychologie John Suler aus New Jersey habe dies bereits im Jahre 2004 als „toxische unsichtbare Enthemmung“ klassifiziert. Im digitalen Netz würden sich Personen nicht Aug-in-Aug gegenüberstehen, es gebe keine Empathie, keine Gestik und Mimik und keine unmittelbare Reaktion auf die schriftliche Äußerung.
Brodnig unterscheidet im allgemeinen zwischen zwei Typen von Hasspostern, einerseits die harmloseren „Trolle“, die bewusst provozieren wollen, ohne ideologischen Hintergrund agieren und in ihrem Charakterverhalten Sadisten ähneln. Auf der anderen Seite die viel gefährlicheren „Glaubenskrieger“, die von der Wahrheit ihrer Äußerungen überzeugt sind, sich durch objektive Gegenkritik nur bestärkt fühlen und auch in den abstrusen Verschwörungskanälen zu finden sind.
Wie soll man sich als normaler Bürger – abgesehen von gerichtlichen Verfahren – gegen derartige Hassposter wehren ? Auf keinen Fall die Meinung des Posters radikal negieren. Es sei sinnvoller, an allgemeine Werte zu appellieren (wie beispielsweise Gesundheit beim Klimawandel), die auch dem virtuellen Diskussionsgegner wichtig sind, und darauf aufbauend Gegenargumente zu konstruieren. Auch Humor und verstärkte Empathie wirken in vielen Fällen entwaffnend.
Einen Teil ihres spannenden Vortrags widmete die Jung-Autorin auch den „Echo Chambers“ in den Social Media. Aufgrund der Verwendung von Algorithmen werden User digital abgeschottet und lesen in ihren Feeds nur Berichte und Postings, die ihre eigene Ansichten bestärken und verstärken. „Unterschiedlich denkende Gruppen seien oft nur einen Mausklick entfernt, nur passiere der nicht“, so Brodnig. Diese sogenannte „Filterblase“ wird von Facebook beispielsweise gar nicht abgestritten, wie stark sie ausgeprägt ist, wird allerdings nicht bekanntgegeben. Transparenz sieht anders aus. Dies gilt auch für die Größe der Moderatoren-Teams, die den Kommunikations-Kanal überwachen sollen.
Das Netz auf jeden Fall sei, so die Autorin, erst am Beginn seiner Entwicklung. Bezüglich Sicherheit, Datenschutz, Umgangsformen, in jeder Hinsicht. Die Hassposter befänden sich aber trotz ihres aggressiv-martialischen Tons schon jetzt in der eindeutigen Minderheit. Wir sollten alle zusammenhelfen, dass sie zusehends in den Untiefen des Internets versinken. Ohne weiteren Schaden anzurichten.
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tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 11:44)
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