Die Dinge sind nicht immer so wie sie scheinen. Und so stecken hinter den riesigen Trucks mit dröhnenden Techno- und House-Beats, feiernden Party People und halbnackten Go-Go´s, die sich Samstag nachmittags um den Ring und das Wiener Rathaus bewegen, ernste Botschaften, die die Zukunft des Wiener (und österreichischen) Nachtlebens betreffen.
Unter den Mottos „Rette deinen Club“ fordern die Wiener Club-Betreiber und Veranstalter gesetzliche Änderungen im Gewerbe- und Steuerrecht und die gesellschaftliche Akzeptanz der Club-Kultur durch Politik, Wirtschaft und Tourismus. Die Vergnügungssteuer, die kürzlich auch dem weltweit renommierten Linzer Electro Swinger Parov Stelar eine Nachzahlung bescherte, müsse reformiert werden. Diese beträgt bei Tanzveranstaltungen in Wien 15 % des Entgelts bzw. mindestens 0,10 Euro je Eintrittskarte und benachteilige Club-Betreiber gegenüber Konzertveranstaltern.
Noch gefährlicher für das Nightlife ist allerdings der § 113/5 Gewerbeordnung, aufgrund dessen der Gastgewerbetreibende für das Verhalten der Gäste VOR dem Lokal haftet. Wenn die Nachbarschaft wiederholt durch Gäste vor der Betriebsanlage unzumutbar belästigt wird, dann hat die Gemeinde eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben. Aktuell ist davon die auch bei der Street Parade teilnehmende Bettelalm im Lugeck betroffen, die aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ihre Sperrstunde von 6 Uhr früh auf Mitternacht rückverlegen musste. Diese Vorschreibung wird erst dann widerrufen, wenn sich die Sachlage verändert hat.
Dass ein Lokal, dessen Gäste großteils nach Mitternacht kommen, de facto betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll betrieben werden kann, liegt auf der Hand. Zu befürchten ist, dass dieser Paragraph vermehrt zur Anwendung kommt, wenn das Rauchverbot 2018 in Kraft tritt und dementsprechend Gäste vor den Lokalen vermehrt zum Glimmstengel greifen werden.
Volksgarten, Hypnotic, Chaya Fuera, Bettelalm, Vienna City Beach Club, Praterdome, Bollwerk oder Event Arena Vösendorf: Sie alle waren – gemeinsam mit über 25.000 Teilnehmern - bei der Street Parade-Demo vertreten, um gegen diese gesetzlichen Bestimmungen zu protestieren und ein Zeichen für die Wiener Clubkultur zu setzen.
Diese soll nicht nur eine zufällige, kommerzielle Randerscheinung in der Stadt sein, sondern soll – ähnlich wie in London und Berlin – aktiv in Social Media, Online-Plattformen und im Rahmen einer auf die Jugend und Clubbing-Generation zugeschnittenen Zielgruppen-Kampagne beworben werden. Die Stadt Wien müsse die Clubszene fördern und als gleichwertigen Kulturfaktor anerkennen. Dass die Wiener feiern können, haben sie auch am Wochenende bewiesen, egal ob bei der Parade, beim Rathausplatz-Open-Air, bei der Praterdome-Afterparty, in der Pratersauna oder beim Techno Brunch. Die Club-Jetsetter dürfen kommen :-)
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tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 12:15)
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