Über 300 Paragraphen wurden geändert, nun ist mit Jahresbeginn das neue Erbrecht in Kraft getreten. Während bei einigen Änderungen der Teufel im Detail steckt, klingen andere auf den ersten Blick revolutionärer als sie eigentlich sind. So beispielsweise der Erbrechtsanspruch von Lebensgefährten, die mit dem Verstorbenen 3 Jahre lang im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Dieses außerordentliche Erbrecht besteht nämlich nur dann, wenn der Verstorbene kein Testament errichtet hat und keine gesetzlichen Erben (zu denen auch noch die Großeltern des Verstorbenen und deren Nachkommen gehören) vorhanden sind. Ab 1.1. 2017 darf der Lebensgefährte weiters ein Jahr in der Wohnung des Verstorbenen bleiben und dessen Hausrat nützen.
Testamente zugunsten früherer Ehegatten, eingetragener Partner oder Lebensgefährten werden nach einer Scheidung bzw. Auflösung automatisch aufgehoben. Ist diese Rechtsfolge nicht gewollt, muss dies letztwillig angeordnet werden. Vor der Erbrechtsreform war dieszüglich ein ausdrücklicher Widerruf notwendig.
Einschränkungen wurden beim Pflichtteilsrecht vorgenommen. Anspruchsberechtigt sind nur mehr die Nachkommen und der Ehegatte bzw. der eingetragene Partner. Unverändert ist die Höhe, diese beträgt weiterhin die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Eine Pflichtteilsminderung ist nach der neuen Rechtslage bereits dann zulässig, wenn ein Kontakt zum Erblasser über einen längeren Zeitraum nicht bestanden hat. Dies gilt insbesondere auch für Ehegatten, die bereits länger getrennt lebten. Erweitert wurden auch die Enterbungsgründe.
Achtung bei den Formvorschriften für letztwillige Verfügungen. Beim fremdhändigen Testament wurden neue Gültigkeitserfordernisse normiert: Die Identität der Zeugen (Name, Geburtsdatum, Adresse) muss im Testament enthalten sein, der Zeugenzusatz muss eigenhändig geschrieben sein, und die Verfügung muss einen handschriftlichen Zusatz des Verfügenden enthalten, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält.
Neu eingeführt wird das sogenannte „Pflegevermächtnis“ für nahe Angehörige. Die pflegende Person hat Anspruch auf eine Geldleistung aus dem Nachlass, wenn unentgeltlich Pflegeleistungen am Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor dessen Tod mindestens 6 Monate erbracht wurden. Diese müssen ein geringfügiges Ausmaß überschreiten, was in der Regel mehr als 20 Stunden im Monat entspricht. Das Vermächtnis gebührt zusätzlich zum Pflichtteil, bei anderen Rechtstiteln nur dann, wenn der Erblasser nichts anderes anordnet.
Vorteile ergeben sich durch die Erbrechtsreform, wenn ein Unternehmen in den Nachlass fällt. Der Pflichtteil wird zwar weiterhin mit dem Todestag fällig, er kann allerdings für die Dauer von 5 Jahren bzw. in besonderen Fällen sogar auf maximal zehn Jahre gestundet werden. Dadurch kann verhindert werden, dass der Erbe sofort die Pflichtteile auszahlen muss und aus Gründen der Illiquidität das Unternehmen verkaufen muss. Die gesetzliche Verzinsung von 4 Prozent ab Todestag ist allerdings eine teure Angelegenheit.
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tsSLAueP (Montag, 22 August 2022 12:36)
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