"Du steckst mich an" lautet das Motto des diesjährigen Donaufestivals in Krems, das in dieser Form seit 2005 in der Wachaumetropole stattfindet. "Camp auf dem Land", so nannte es der langjährige künstlerische Leiter Tomas Zierhofer-Kin, der - als neuer Chef der Wiener Festwochen - das Zepter an den FM4-Radiomacher und Kulturjournalisten Thomas Edlinger übergab. Die Grundtendenz blieb gleich, eine grenzüberschreitende Mixtur aus Musik, Art und Performance, die die Besucher nicht berieseln, sondern inspirieren, herausfordern und aufrütteln soll.
An insgesamt 6 Tagen finden an verschiedenen Standorten pro Tag ca. 20 Einzel-Events statt. Eines der Höhepunkte des ersten Wochenendes war zweifelsohne die Premiere der 5 (!)-stündigen Performance "Habitat" der renommierten Künstlerin Doris Uhlich. Ca. 30 Akteure des "More than naked-Ensembles (inklusive einiger "Amateure") bewegten sich - so wie Gott sie schuf - in den Hallen der (säkularisierten) Dominikanischen Kirche, jeder auf seine Art und Weise, solo, zu zweit oder in Gruppen. "Die Kirche ist wie nackt, die Wände und der Boden haben einen Nude-Ton" - so Uhlich, die die teils natürlichen, teils künstlichen Zuckungen der Performer an die Architektur der Kirche anpasste und die Zuschauer inmitten der nackten Körper unmittelbar daran teilnehmen ließ. Als musikalische Kulisse dienten tribalistische Minimal-Techno-Beats, die die Energie der Performance intensivierten und auch auf die Besucher übertrugen. Choreografin Uhlich: "Jeder hat einen Körper! Das verbindet uns alle. Und unterm Gewand schauen wir alle gleich aus, egal an was wir glauben!"
"Rap against Racism" lieferte die schwarze Künstlerin und Aktivistin Camae Ayewa aka Moor Mother im Stadtsaal. Harte Beats, aggressives Wording und eindeutige Messages. Die ungerechte Welt hat es nicht anders verdient. Zum Finale tanzten auch einige Konzertbesucher auf der Hip Hop-Bühne, es besteht noch Hoffnung.
Vancouvers Rap-Shooting-Star Tommy Genesis dagegen präsentierte sich in der Halle 2 im School-Girl-Outfit, hautnah beim Publikum und nur von Background-Hip Hop Beats begleitet. Die Künstlerin des DIY-Labels Awful Records ist allerdings – konträr zum Look – eine selbstbewusste Anti-Spears. "Liebe und Sex sind von vornherein belastet mit dieser Art Gehirnwäsche, die wir alle mitbekommen. Man muss sich für die eigenen Regeln entscheiden." - so Tommy Genesis.
Für Retro-Atmosphäre sorgte am Eröffnungstag die ehemalige UK-New Wave-Band Scritti Politti, die heute nur mehr aus dem damaligen Sänger Green Gartside besteht. Die Hits von damals, "Word Girl", "Wood Beez" oder "Sweetest Girl" faszinieren durch dessen beständiger Stimme noch immer, die politische Message ist etwas verblasst, was aber nicht stört.
Wer auf härtere Beats abfährt, wurde beim Donaufestival auch bestens bedient. DJ M.E.S.H. aus New York scratchte im Festival-Areal der Österreich-Hallen, während Group A aus Tokyo im Stadtsaal Gothic-Wave mit Techno und Live-Violins kombinierten. Neue Maßstäbe in Sachen elektronischer Club-Musik bot der südafrikanische DJ Lag: Gqom heißt das Zauberwort der Szene in Durban. Eine Mixtur aus Techno, Tribal und hallenden Samples. Man staunt, was der altehrenwürdige Stadtsaal in Krems noch aushält:-)
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