"Endlose Gegenwart" - Das Donaufestival schlägt wieder seine Zelte in Krems auf!

Seit 2005 findet in Krems das avantgardistische Donaufestival statt, das an zwei Wochenenden schräge und extravagante Acts aus den Bereichen Sound, Installation und Performance anbietet. Bis 2016 stand das Festival unter der Leitung von Tomas Zierhofer-Kin, der aktuell Chef der Wiener Festwochen ist. Die Nachfolge übernahm Thomas Edlinger, sein Motto für dieses Jahr "Endlose Gegenwart".

 

"Nichts endet wirklich, aber auch nichts beginnt neu", so die Diktion im diesjährigen Programmheft. Die Gesellschaft steckt fest im sogenannten "Klick-Zeitalter", bei dem alles in Echtzeit abläuft. Die Vergangenheit vergeht nicht, im Gegenteil: "Kultur und Politik werden von Zombies aus der Vergangenheit heimgesucht". Die Zukunft scheint abgesagt. Edlinger stellt die Frage nach künstlerischen Alternativen zu einer aufgeblähten Gegenwart und sucht nach Entschleunigung, Momenten der Nähe und nach offline-Ritualen. Mehr als 80 Programmpunkte setzen sich individuell mit dieser Thematik auseinander.

 

Eines der Highlights am ersten Wochenende war zweifellos der exzellente Auftritt der Wiener Performance-Truppe Liquid Loft unter der Regie von Chris Haring. In der Dominikanerkirche versammelten sich in der "Church of Ignorance" acht schwarz gekleidete Tänzer, zuerst nur amorph verhüllt zu sehen, dann in voller Gestalt. Die Kommunikation der Tänzer untereinander wird per Smartphone von außen gesteuert, die Quellen stammen aus vorproduzierten MP3-Aufnahmen, die Lippen werden dazu synchron bewegt. Der sich mitten im Geschehen befindliche Zuschauer hört nur "babylonisches Sprachengewirr", basierend auf alten Dialekten Europas. Gesten, Bewegungen und Betonungen der Akteure deuten bei einiger Fantasie allerdings daraufhin, was der Inhalt der Kommunikation ist. Der minutenlange Applaus nach der 60minütigen Performance ließ dagegen keine Interpretationsspielräume offen. 

 

Live bei der Eröffnung zu Gast war der Installationskünstler John Gerrard. Dessen "Western Flag" ziert die Halle 1, eine Simulation, die eine Flagge aus niemals versiegendem schwarzen Rauch zeigt. Der Standort: Eine Ölquelle in Texas, deren Vorräte bereits erschöpft ist. Für viele Festivalbesucher ist dieser Bereich auch ein Platz zum Chillen und Entspannen.

 

Musikalisch zieht Edlingers Programm wieder alle Register. Die Berliner Szene-Ikone Lotic, optisch Conchita Wurst nicht unahnlich, liefert im ehrenwürdigen Stadtsaal einen queeren Mix aus Trap, R&B und Footwork. Die Radikalfeministin Moor Mother kollaboriert mit den Industrial Pionieren Zonal, wegen einer Flugzeugverspätung weit nach Mitternacht terminlich angesetzt und ohrenbetäubend intensiv.

 

In der Festivalzentrale konzentriert sich DJ Nene Hatun auf schnörkellosen Minimal Techno. Die coolen Beats sind um einiges gefälliger als der Preis der angeblich kultigen Schnitzelsemmel (4,80 Euro), die man sich aber sparen kann.

 

Nicht so das samstägliche Programm in der Halle 2: Die aus Philadelphia stammende Mhysa (was im "Game of Thrones"-Sprachgebrauch so viel heißt wie (Drachen)-"Mutter" präsentiert sich dort als selbstbewusste Queer Black Diva inmitten von A Capella-Akrobatik und sexy Club Sounds. Und "Ersatzmann" DJ Taye  (der für die Brooklyner Djane Umfang eingesprungen ist) zeigt mit Live-Raps, Scratches und Mixes, dass er einer der ungekrönten Stars der Chicagoer Footwork-Szene ist. Die Festival-Party People dankten mit einer vollen Tanzfläche bis zum Ende des Sets.

 

Viele Donaufestival-Besucher kamen auch dieses Jahr wieder aus Wien. Ein Teil düste per Shuttle Bus noch um 2 Uhr nachts zurück in die Bundeshauptstadt. Kremser findet man traditionell nur selten am Donaufestival. Vermutlich weil sie sich in einer Traditionsblase (Heurigen, Kellergassenfeste,...) befinden und kulturellen Innovationen abgeneigt sind. Schade eigentlich.