Wer sind Doron Medalie und Stav Beger? Die Sieger des 63. Eurovision Songcontests in Lissabon. Denn prämiert werden beim jährlich stattfindenden Wettbewerb nicht die Interpreten, sondern die Komponisten und Texter. Dass natürlich die an Beth Ditto erinnernde Interpretin Netta und deren gesellschaftliche Message vorrangig für den Sieg verantwortlich waren, steht außer Frage.
"I´m not your Toy, you stupid Boy" sei eine Antwort auf die MeToo-Debatte um sexuelle Belästigung (nicht nur) in der Unterhaltungsbranche, so die Siegerin. Dagegen ist nichts einzuwenden, man hätte diese Botschaft aber auch in eine musikalisch erträglichere Form verpacken können.
So wie der französische Beitrag von Madame Monsieur. "Mercy" thematisiert das Schicksal eines Flüchtlingsmädchens, das auf dem Mittelmeer zur Welt gekommen ist. Melancholischer Elektro-Sound ohne die erdrückende Kitsch-Ästhetik des Sieger-Beitrages. Oder die San Remo-Sieger Ermal Meta und Fabrizio Moro, die mit ihrem Song "Non mi avete fatto niente" vor einer Spaltung der Gesellschaft durch Terrorismus und Rechtsextremismus warnen und die Menschen auffordern, sich von dieser Hassspiralen nicht anstecken zu lassen. Für Frankreich und Italien reichte es trotz erstklassiger Produktion aber nur für die Plätze 13 und 5. So ungerecht kann die ESC-Welt sein.
Jubeln können dagegen die Österreicher. Unser Vertreter Cesar Sampson, der mit der Soul-R&B-Ballade "Nobody but you" startete, erinnerte sowohl optisch als auch musikalisch an Craig David und belegte nach der Jury-Wertung Platz 1 vor Schweden und Israel. Sampson bekam siebenmal die Höchstpunkteanzahl von 12, darunter auch aus dem Mutterland des Pop, England.
Schlussendlich wurde er hinter Israel und Zypern (Latin-Pop von Eleni Foureira) sensationeller Dritter, nach den Siegen von Udo Jürgens (1966) und Conchita Wurst (2014) die drittbeste Platzierung eines Österreichers. Über seine Zukunft braucht sich Sampson auch keine Sorgen machen: In Kürze erscheint ein hochdotiertes (Universal)-Album des 34jährigen, auch eine Tournee ist geplant. Sampson auf der Spur seiner Tante ("Pepsi"), die Gründungsmitglied bei Wham war.
Apropos England: Der Auftritt der britischen Sängerin Surie wurde von einem politischen Aktivisten und Rapper gestört, der gegen die Kommerzialisierung der Medien protestierte. Auf eine Wiederholung des Auftritts verzichtete die Sängerin, sie landete auf Platz 24.
Deutschland war nach mehreren ESC-Flauten mit dem 4. Platz mehr als zufrieden, die an Ed Sheeran angelehnte Ballade "You Let me Walk Alone", die Wuschelkopf Michael Schulte seinem verstorbenen Vater widmete, fand nicht unverdient viele Fans. Schwedens Disco-Popper Benjamin Ingrosso, Cousin von Swedish House Mitglied Sebastian, belegte zwar nur Platz 7, dürfte aber mit seinen lässigen Dance-Beats die weltweiten Charts erobern. Ähnliches gilt trotz eines nur 20. Platzes für die Australierin Jessica Mauboy.
Zu den Verlierern zählen dieses Jahr zwei Interpreten, die bereits ganz oben auf den Siegertreppen standen. Norwegens Winner von 2009, Alexander Rybak wurde trotz erneuter Geigenvirtuosen nur 15., Waylon, ein Teil der Common Linnets (die 2014 knapp gegen Conchita Wurst das Nachsehen hatten) landete mit einem Bon Jovi-esken Song nur auf Platz 18. Veranstalterland Portugal wurde wie einst Österreich nur Letzter, erhielt aber wenigstens (39) Punkte.
Für nächstes Jahr werden die schrill-schrägen Karten des Songcontests wieder neu gemischt. Siegerin Netta ist verantwortlich dafür, dass Israel, vermutlich Jerusalem, 2019 den Wettbewerb veranstaltet. Es war immerhin bereits der 4. Sieg Israels nach 1978, 1979 und 1998. Nach dem 98er-Triumph einer transsexuellen Sängerin (Dana International) bereits der zweite mit einer klaren, gesellschaftlichen Botschaft.