"Wir müssen medienmündig werden, weil wir längst medienmächtig geworden sind!" Einer der Leitsätze vom deutschen Medienwissenschafter Bernhard Pörksen, der im Mai bei den Falter-Stadtgesprächen im AK-Bildungszentrum zu Gast war.
Pörksen wurde 2008 zum "Professor des Jahres" gewählt, unterrichtet aktuell an der Uni Tübingen und gilt als einer der intellektuellsten Kommunikations-Zeitgeistprotagonisten Deutschlands, der den Umbruch der journalistischen Szene in klare Worte packt. Sein neuestes Buch heißt "Die große Gereiztheit - Wege aus der kollektiven Erregung".
Pörksen setzt in seinen Ausführungen auf eine "redaktionelle Gesellschaft". Die Menschen sollten das Handwerk redlicher Journalisten beherrschen und deren Prinzipien im Umgang mit Medien anwenden: Skepsis, Distanz, Faktenprüfung, Wahrheitswillen. Derzeit eine Utopie (auch aus Sicht des Optimisten Pörksen), wenn man objektiv betrachtet, wie sich die Bevölkerung aktuell in den sozialen Medien durch Fake News, selektive Informationen oder auch nur durch statistische Tricks manipulieren und täuschen lässt.
Ein eigenes Schulfach zur Erziehung der Medienmündigkeit steht insofern im Forderungskatalog Pörksens. Eine Verwirklichung erscheint auch in Österreich nicht unmöglich, fordern dies doch auch Parteien und Politiker, die selbst Fake News ohne Genierer verbreiten.
Die Finanzierung des Qualitätsjournalismus sei derzeit das heikelste Problem in der Medienszene. Infolge der Digitalisierung und der sozialen Medien trage jeder "kleine Sendestationen in Gestalt von Smartphones herum" und verbreite seine persönlichen News auf Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram. Facebook hatte im Jahr 2017 40 Milliarden Dollar Werbeeinnahmen. Alle deutschen Medien zusammen kommen nicht auf die Hälfte.", so der renommierte Medienwissenschaftler.
Trotzdem sieht Pörksen die Zukunft der systemrelevanten Qualitätsmedien nicht gefährdet. Medien seien allerdings nicht mehr Gatekeeper, sondern Gatereporter. Nicht nur Investigativreports und Hintergrundrecherchen sollten auf der Tagesordnung stehen, sondern auch die detaillierte Aufdeckung über Fake News und sich widersprechende Informationsströme. Die gesamte Arbeit der Medien müsse transparent offengelegt werden. Keine leichte Aufgabe, da die Medien hier mit der "Bestätigungssehnsucht" der Empfänger konfrontiert werden. In Zeiten von Überinformationen wählen die Menschen gerade jene Medien, mit deren Meinungen sie - vorurteilsbehaftet - übereinstimmen.
Eine Absage erteilt Pörksen dem "Filterblasen- und Echokammernmodell". Aufgrund des Verlinkungssystems des Internets sei es eine Leichtigkeit, in "andere Universen" einzudringen. Ein Wolf ist von einem Strache oder Kurz nur einen Link entfernt. Nicht die scheinbar "dämonischen Algorithmen", sondern die Netzkonsumenten selbst sind verantwortlich dafür, dass sie in ihrem "belagerten Tal" verharren. Der Hass im Netz sei auch nicht durch die sozialen Medien verursacht worden, er werde nur durch die grenzenlosen, scheinbar anonymen Möglichkeiten der Verbreitung stärker sichtbar.
In seinem 256 Seiten dicken Buch "Die große Gereiztheit" publiziert Pörksen noch zahlreiche weitere Theorien zur aktuellen Mediensituation. Auf die persönliche Frage, ob das Netz für ihn eher "Euphorie oder Apokalypse" darstellt, bleibt der Optimist auf der hellen, positiven Seite des Fortschritts.. Selbst der Buchdruck sei anfangs mit negativen Kritiken überschwemmt worden.