"Liberte, Egalite, Mbappe!" - Das sind die neuen Parolen der Franzosen nach dem triumphalen Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Moskau. Und tatsächlich steht der 19jährige Shooting Star, Sohn eines Kameruners und einer Algerierin, aufgewachsen in den Banlieus, als Symbol für eine multikulturelle Gesellschaft jenseits von nationalen Grenzen, die vorurteilsfrei nach gemeinsamen Zielen strebt. Der zweite Titel nach 1998 ist natürlich auch ein Triumph für den liberalen Präsidenten Macron, den es kaum auf den Sitzen der Ehrentribüne hielt, und Balsam für das französische Volk nach den tödlichen Terroranschlägen im Herzen von Paris.
In die Fußballgeschichte Frankreichs geht auch Didier Deschamps ein. 1998 beim ersten WM-Sieg Mannschaftskapitän, 20 Jahre später Erfolgstrainer, der es schaffte, aus einer schwer zähmbaren Truppe von Individualisten rund um Griezmann, Pogba & Co. ein kompaktes Team mit einer effektiven Defensivstrategie zu formen. Die Franzosen eliminierten im Achtelfinale Argentinien, im Viertelfinale Uruguay und dann im Semifinale durch ein Tor des Barcelona-Verteidigers Umtiti die "goldene Generation" der Belgier. Im Finale gegen Kroatien war ihnen in der ersten Hälfte auch das Glück hold. Dem Freistoß zum 1:0 (durch ein Eigentor von Mandzukic) ging eine Schwalbe von Griezmann voran. Nach dem Ausgleich von Perisic erzielte Antoine Griezmann durch einen nach einem Videobeweis verhängten Elfmeter den Führungstreffer. In den ersten Minuten der zweiten Hälfte machten aber die Offensivstars der Franzosen alles klar: 3:1 Pogba, 4:1 Mbappe, nach dem Finalspiel mit dem Young Player Award ausgezeichnet. Das 2:4 nach einem Fehler des ansonst souveränen Schlussmannes Lloris war nur noch Formsache.
Die Kroaten brauchen aber über die Niederlage nicht unglücklich sein. Das 4-Millionen-Land erreichte 2018 erstmals ein Finale und - nach dem 3. Platz bei der WM 1998 - die beste Platzierung bei einem internationalen Fußball-Bewerb. Das Team des erst im Oktober 2017 aus der Arabischen Emirate verpflichteten Trainers Zlatko Dalic hatte es - trotz leichterer Auslosung - viel schwerer, ins Finale zu kommen. Elfmeterschießen gegen Dänemark und Russland, im Semifinale 2:1-Verlängerung gegen die Engländer. Scheinbar unermüdlich im Zenit des kroatischen Angriffsfußballs: Luka Modric. Der Real-Star wurde für seine Leistungen bei der WM zum besten Spieler des Turniers ("Golden Ball Winner") ausgezeichnet. Vor Eden Hazard (Belgien) und Antoine Griezmann. Die Kroaten dürfen stolz sein auf ihr Nationalteam, und das sind sie auch, wie dies erste Fan-Reaktionen aus "Little Zagreb" in Ottakring gezeigt haben.
"Football´s coming home", die Fußballerhymne der Briten, schaffte in der Finalwoche den Sprung auf Platz 1 der UK-Single-Charts. Das blieb den Kickern zwar verwehrt, die Erfolgskurve zeigt aber steil nach oben: Erstmals seit 1990 wieder in einem Semifinale, den "Elferfluch" gegen Kolumbien besiegt und die stetig positive Entwicklung eines neuen Teams rund um WM-Torschützenkönig Kane, Goalie Pickford und den stets im eleganten Gilet auftretenden Coach Southgate. Nach einer 2:0-Niederlage im Spiel um Platz 3 gegen Belgien belegten die Engländer Platz 4.
Frühes Aus für die Superstars des runden Leders. Cristiano Ronaldo, beim spannenden 3:3-Thriller gegen Spanien noch mit einem Triple Pack erfolgreich, musste bereits nach der 1:2-Achtelfinalniederlage gegen Uruguay seine Koffer packen. Auch ein Klubwechsel steht bevor: Nächste Saison kickt Ronaldo für eine Gage von 30 Millionen Euro netto bei Juventus Turin.
Lionel Messi bleibt zwar weiterhin bei Barcelona, den Traum vom Weltmeistertitel dürfte der nunmehr 31jährige - im Gegensatz zu dem in den VIP-Logen exzessiv feiernden Diego Maradona - wohl begraben. Nach einer bereits mühsamen Vorrunde (mit einer Niederlage gegen Mexiko) verloren die Argentinier gegen die Franzosen im Achtelfinale mit 3:4.
Auch nur bis ins Viertelfinale schaffte es der teuerste Transfer der Fußballgeschichte, Neymar. Die Selecao musste sich dort gegen die Belgier mit 1:2 geschlagen geben. Neymar selbst wurde wegen seiner theatralischen Einlagen mit Spott aus dem Internet konfrontiert. Zu seiner Ehrenrettung: Er war mit 26 Fouls auch der meistgefoulte Kicker der Fußballweltmeisterschaft.
Insgesamt 3087 Pässe absolvierten die Spanier, somit klare Nr. 1 in dieser WM-Statistik. Genützt hat die Ballüberlegenheit der Furia Roja allerdings nichts. Die russischen Gastgeber besiegten bereits im Achtelfinale die Spanier im Elfmeterschießen, als neuer Trainer wurde während der WM der ehemalige Nationalspieler Luis Enrique bestellt. Vermutlich mit dem Ziel einer Neupositionierung des spanischen Stils.
Bereits nach der Gruppenphase war Endstation für den Titelverteidiger Deutschland. Gerade noch dem vorzeitigen Aus gegen Schweden entronnen. schmissen die Südkoreaner die Löw-Truppe aus dem Bewerb. Laut Statistik ist die WM 2018 die erste Weltmeisterschaft seit 1930, an dem weder Brasilien noch Deutschland im Semifinale stehen.
Riesenpech für das Team aus Senegal. Zwei gelbe Karten zuviel waren der Grund, warum die Afrikaner nach der Gruppenphase die Heimreise antreten mussten. Die ersten Opfer der neuen "Fair Play"-Regel.
Ebenfalls zum ersten Mal eingesetzt wurden sogenannte Videoassistenten, die bei 4 Spielsituationen (Tore, Strafstöße, Rote Karten und Verwechslungen) herangezogen werden können bzw. selbst per Funk die Möglichkeit zur Intervention haben. Die Evaluierung dieser "Video Assistent Referees" wird nicht einfach werden. Vor allem die Auswahl der überprüften Spielzüge wird von Experten kritisiert. Auswirkungen hatte die zu begrüßende Maßnahme jedenfalls auf die hohe Anzahl von Elfmetern, so auch im WM-Finale.
Und der Gastgeber? Der stieß unter der Fittiche des ehemaligen FC-Tirol-Tormannes Tschertschessow mit disziplinierter Verteidigungstaktik überraschend bis ins Viertelfinale vor. Im Elfmeterschießen mussten sich die Russen allerdings dem späteren Vizeweltmeister Kroatien geschlagen geben.
Gesellschaftlich war rund um die Spielstätten eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Friedliche Parties der Fußball-Fans auf den Straßen, Toleranz seitens der sonst rigiden Sicherheitsbehörden. Ob dieses freie Lebensgefühl allerdings anhalten wird, ist leider eher zu bezweifeln.
Das nächste Fußball-Großereignis findet in 2 Jahren statt, und zwar erstmals nicht in einem oder zwei Ländern, sondern an 12 verschiedenen Spielorten in Europa. Teilnahmeberechtigt sind wie 2016 wieder 24 Nationalmannschaften, Halbfinale und Finale werden im Londoner Wembley-Stadion ausgetragen. Then Football´s truly coming home :-)