Die backsteinrotfarbene Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain, einer der geschichtsträchtigsten Areale während der Teilung zwischen Ost- und Westberlin. Ein Verlassen der durchgeschleusten Zügen war hier zwischen 1961 und 1989 verboten, der Grenzübergang verlief am südlichen Spree-Ufer in Kreuzberg, die Spree selbst und das nördliche Ufer, der sogenannte "Todesstreifen", gehörten bereits zu Ostberlin. Dahinter befand sich noch eine Hinterlandmauer, die seit dem Fall der Berliner Mauer als "East Side Gallery" zu den Tourismusattraktionen der deutschen Bundeshauptstadt zählt.
Im Frühjahr 1990 begannen 118 Künstler auf dem Mauerstück in der Mühlenstraße zwischen dem Berliner Ostbahnhof und der Oberbaumbrücke künstlerische Werke über die politischen Veränderungen zu fabrizieren. Die Motive so vielseitig, farbenbunt und intellektuell wie deren Schöpfer. Von puren Liebesbotschaften, politischen Anklagen, einer Glorifizierung des Lebens bis hin zu klugen Sinnsprüchen reicht die Palette. Als besonders populär gilt die Nr. 26 mit dem Titel "Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben", eine Graffiti-Version des Bruderkusses zwischen Breschnew und Honecker 1979 zur 30-Jahre-Feier der DDR.
Eröffnet wurde die auf der ostwärtsgewandten Mauer platzierte Galerie am 28. September 1990. Damals bestand der Plan, die Mauerstücke weltweit auszustellen und sie dann zu versteigern. Im November 1991 fand man eine bessere Lösung: Die East Side Gallery wurde unter Denkmalschutz gestellt.
Im Laufe der Jahre hatte der gegründete Verein Künstlerinitiative East Side Gallery vor allem mit Verwitterungen der Bilder zu kämpfen. Die erste Sanierung erfolgte im Jahr 2000, eine weitere im Oktober 2008. Bei letzterer wurde das Mauerwerk nachhaltig restauriert, ein Großteil der Bilder musste abgestrahlt werden, sodass die einstigen Künstler nach Berlin eingeladen wurden, um ihr Bild ein zweites Mal an die Mauer zu malen. 87 kamen dieser Aufforderung nach, andere wiederum kritisierten die - im Vergleich zum vorhandenen Sanierungsbudget von 1 Million Euro - zu geringe Aufwandsentschädigung (von 3000 Euro) bzw. die Verletzung des Urheberrechts durch die Beseitigung ihres Erstwerks.
Bezüglich dieser Causa haben sich die Wogen in den letzten Jahren geglättet. Proteste löst aktuell die fortschreitende Gentrifizierung im Bereich der Mühlenstraße aus. Direkt an der Uferpromenade soll bis 2021 ein neungeschossiges Hochhaus mit Hotelzimmern und Mietwohnungen ("Pier 61-63") entstehen, daneben Geschäfte und Bistros. Einige Mauersegmente mussten trotz zahlreicher Demonstrationen (und prominenter Teilnahme von "Mr. Looking for Freedom" David Hasselhoff) bereits versetzt werden.
Da bereits ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliegt, wird es schwierig werden, dieses Projekt noch zu verhindern. Als positives Zeichen werten die Aktivisten allerdings, dass die East Side Gallery ab 2018 von der "Stiftung Berliner Mauer" verwaltet wird und damit - von Bund und Land abgesichert - als Gedenk- und Erinnerungsort erhalten bleibt. Denkmalschützer fordern zusätzlich eine Bewerbung als (immaterielles) UNESCO-Weltkulturerbe.
Sei´s wie´s sei: Den verheerenden "Reichen-Ghetto-"Block direkt an der Spree müssen Touristen, Historiker und Berliner Einheimische künftig widerwillig ertragen.