"Der Wein des Vergessens" -Buchpräsentation von Streibel & Hermann im Wiener Thalia

Mai 1937 - Fronleichnam in Krems. Drohendes Unheil kündigte sich bereits in der (anvisierten) Gauhauptstadt an. Beim Festumzug liefen zahlreiche Besucher bereits mit Hakenkreuz-Ansteckern herum, und sogar in der Alten Post beim Steinertor wurden Homosexuelle und Juden mit Sprüchen wie "Die Warmen sind wieder da" oder "Irgendwann werden die Juden nichts mehr zu bestellen haben" diskriminiert und beschimpft. 

 

In dieser Zeit beginnt der dokumentarische Roman "Der Wein des Vergessens" der Kremser Robert Streibel und Bernhard Hermann, den die beiden Historiker nicht nur am Tatort Krems, sondern auch im Thalia Wien präsentierten. Grundlage der schockiereden Tatsachenfeststellungen ist eine Metallkassette mit Briefen und Dokumenten, die Hermann 2008 in der Salzburger Wohnung seiner verstorbenen Cousine fand. Darin enthalten auch Informationen über die Arisierung eines Kremser Weinbaubetriebes im Jahre 1938, der Sandgrube 13. Diese war bis zum Anschluss im Besitz des jüdischen Geschäftsmannes Paul Robitschek, der eine homosexuelle Beziehung mit dem umtriebigen Gesellschaftslöwen August Rieger führte. 

 

Beide kamen in Konflikt mit dem Kremser Gemeinderat (!) und NSDAP-Mitglied Franz Aigner, der mit Unterstützung von mehr als 100 Weinbauern das Weingut Robitscheks enteignete und arisierte. Und das, obwohl Robitschek seinem Freund Rieger das Weingut vor Inkrafttreten der deutschen Eigentumsgesetze rechtmäßig verkaufte. Robitschek flüchtete aus Angst vor einer KZ-Deportation nach Triest, dann nach Frankreich (wo er als deutscher Spion - sic est - verhaftet wurde), Lissabon und Caracas, wo er nach Ende des Kriegs im Exil starb. Gefundene Tagebuchaufzeichnungen machen die unglaubliche Geschichte zusätzlich faktengetreu nachvollziehbar. 

 

Nicht unbedingt zum Wohlgefallen der heutigen Sandgrube-Geschäftsführer, die monatelang den Kontakt mit Streibel und Hermann ablehnten und erst zwei Wochen nach Erscheinen des Buchs persönliche Gespräche anbahnten. Es gebe allerdings nach der Einschätzung Streibels keine Hinweise darauf, dass jemand im gegenwärtigen Umfeld der 1938 (!) gegründeten Winzergenossenschaft von der Arisierung der Sandgrube Bescheid gewusst hätte. 

 

Auch keine Ahnung von dieser Familiengeschichte hatte die 71jährige Nichte Anita Robitschek, die von der Sandgrube-Geschäftsführung nach Krems eingeladen wurde. Konsultiert wird auch eine Historikerkommission unter der Leitung von Brigitte Bailer-Galanda vom Dokumentationsarchiv.

 

Krems-NS-Experte Streibel machte während der Buchpräsentation auch darauf aufmerksam, dass Krems die erste Stadt mit einem Nazi-Bürgermeister war. Die Christlichsozialen hatten damals zwei Optionen, sie wählten nicht den Roten, sondern den NSDAP-Kandidaten zum Stadtoberhaupt. Auch eine klare Warnung an die aktuellen Stadtpolitiker (und die Wähler), dass rechte Kräfte nie wieder im wunderschönen Krems an die Macht gelangen dürfen...

 

Der historische Roman "Der Wein des Vergessens" kann hier bestellt werden:

 

https://www.residenzverlag.com/buch/der-wein-des-vergessens