"Der Gesetzesentwurf der Regierung strahlt so viel soziale Kälte aus, dass man ihn nur mit dicken Handschuhen anfassen sollte, um sich keine Erfrierungen an den Fingern zu holen." Alexander Pollak, der Sprecher von SOS Mitmensch über das sogenannte "Sozialhilfe-Grundsatzgesetz".
Dieselbe Kälte und Niedertracht weist auch Bundeskanzler Kurz auf, der behauptet, dass in Wien "immer weniger Menschen in der Früh aufstehen, um zu arbeiten." In Harmonie mit seinem Kompagnon HC Strache suggeriert er auch, dass Mindestsicherungsbezieher in der sozialen Hängematte liegen und mit dem "prall gefüllten" Geldbeutel der Sozialämter ihr Leben bis zur Pension genießen wollen, ohne zu arbeiten. Dass derartige rechtliche Unwahrheiten strafrechtlich kaum geahndet werden können, ist schade. Dass sie Journalisten bei öffentlichkeitswirksamen TV- und Presseinterviews nicht richtigstellen, ein Skandal.
Denn tatsächlich sind laut Statistik Austria - neben 81.334 Kindern - 71 Prozent der 307.853 Mindestsicherungsbezieher in Österreich Aufstocker. Sie erhalten nicht den vollen Betrag, sondern beziehen neben der Pension, dem (prekären) Lohn, dem Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe einen Differenzbetrag zu dem ohnehin kargen Höchstbetrag von 863 Euro, der weit unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1238 Euro monatlich liegt. Im Durchschnitt lag der Bezug bei 606,44 Euro pro Monat, die Bezugsdauer betrug gerade einmal 8,5 Monate.
Die Mindestsicherung ist weiters kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern setzt Arbeitswilligkeit voraus. Im § 3/4 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes heißt dies wortwörtlich: "Leistungen der Sozialhilfe sind von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft abhängig zu machen." Verweigert ein Mindestsicherungsbezieher die Annahme einer zumutbaren Tätigkeit oder erscheint nicht zu Terminen beim AMS, dann erfolgen sofortige Sanktionen seitens des Sozialamtes wie die Streichung der Mindestsicherung. Zu unrecht bezogene Leistungen müssen zurückbezahlt werden, und es drohen bei Missbrauch zusätzlich Verwaltungsstrafen. Trotz Notlage ist sogar ein kompletter Entzug der Mindestsicherung zulässig, wie der Verwaltungsgerichtshof bei beharrlicher Arbeitsverweigerung in einem höchstgerichtlichen Urteil ausgesprochen hat.
Und natürlich besteht erst dann Anspruch auf Mindestsicherung, wenn das gesamte Vermögen des Beziehers - mit Ausnahme eines kleinen Freibetrages - verwertet worden ist. Dieser Freibetrag nennt sich im neuen Gesetz zynisch "Schonvermögen" und beträgt ab Inkrafttreten 600 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes, das sind aktuell lächerliche 5200 Euro. Alle Ersparnisse über diesem Wert sind zu verbrauchen, bevor ein effektiver Antrag auf Mindestsicherung gestellt werden kann. Bei einer Eigentumswohnung erfolgt nach 3 Jahren eine pfandrechtliche Sicherstellung im Grundbuch. Zu befürchten ist, dass in der laufenden Legislaturperiode durch ÖVP und FPÖ die Notstandshilfe für Langzeitarbeitslose abgeschafft wird und diese noch schneller in die Mindestsicherung schlittern. Noch dazu ohne Anrechnung der Versicherungsmonate für die Pension.
5 Prozent der Österreicher besitzen mehr als 42 % des Nettovermögens. Das sind Personen, bei denen ein Neidgefühl entstehen kann, vor allem deswegen, weil diese reichen Millionäre keine Vermögens- und Erbschaftssteuer zahlen müssen. Auf die Ärmsten der Armen hinzuhauen (egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht), ist nicht nur unsozial und unfair, sondern vor allem charakterlos, arrogant und schäbig...