Sozialhilfe-Entwurf: Eiskalte Kürzungen der Mindestsicherung durch Schwarz-Blau!

Arme Menschen sterben früher als der Rest der Bevölkerung. Das ist der einfache Grundtenor einer von der Statistik Austria durchgeführten Sonderauswertung der EU-Sozialstudie SILC.

 

Die genauen Zahlen sind schockierend. Der Sonderauswertung zufolge sterben armutsgefährdete Männer um vier Jahre früher, bei Frauen sinkt die Lebenserwartung um eineinhalb Jahre. Wer in manifester Armut lebt - also etwa Probleme hat, die Wohnung warm zu halten und sich keine unerwarteten Reparaturen leisten kann - stirbt um vier Jahre (Frauen) bis elf Jahre (Männer) früher. 

 

In Österreich sind laut Statistik Austria 1,5 Millionen Menschen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Darunter befinden sich auch 324.000 Kinder. Höchste Zeit, die Armut im viertreichsten EU-Land zu bekämpfen. Die schwarz-blaue Regierung, eine "Herrschaft der Niedertracht" (wie sie Autor und Vordenker Robert Misik in seinem neuen Buch bezeichnet), macht das Gegenteil und verschärft laut dem vorliegenden Entwurf zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz die Bedingungen für die Mindestsicherung.

 

Dies beginnt schon damit, dass das Grundsatzgesetz sich eigentlich auf den verfassungsrechtlichen Kompetenztatbestand "Armenwesen" stützen sollte. Dieser umfasst die Regelung von öffentlichen Fürsorgeleistungen, die allein aus dem Grund der sozialen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden. Der von ÖVP und FPÖ konzipierte Gesetzesentwurf nennt allerdings fremdenpolizeiliche (!), arbeitsmarktpolitische und integrationspolitische Ziele.

 

Im gesamten Gesetzesentwurf scheinen KEINE Mindestsätze, sondern nur Höchstsätze für den Sozialhilfebezug auf. Sogenannte Boni für Alleinerzieher, Behinderte und Härtefälle unterliegen einer Kann-Bestimmung, d.h. die Länder sind bei der Erlassung ihrer Ausführungsgesetze nicht verpflichtet, diese Zuschüsse umzusetzen.

 

Besonders skandalös ist der Umgang der schwarz-blauen Bundesregierung mit Kindern. Während beim Familienbonus keine Deckelung vorgenommen wird (und somit beispielsweise ein freiheitlicher Nationalratsabgeordneter mit 7 Kindern mit 1500 Euro mal 7, also 10500 Euro, jährlich steuerlich entlastet wird), erfolgt bei minderjährigen Personen in Mindestsicherung eine radikale degressive Kürzung. Das erste Kind erhält noch 25 %, das zweite nur mehr 15 %, ab dem dritten Kind wird nur mehr 5 % des Basisbetrages (= Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz) von aktuell 863 Euro gewährt. Das sind für das 3. Kind 43 Euro monatlich.

 

Eine nicht nachvollziehbare Deckelung von 1500 Euro wird auch bei Haushaltsgemeinschaften mit volljährigen Mindestsicherungsbeziehern vorgenommen, die Betroffene in fürchterlichste Armut stoßen wird. Subsidiär Schutzberechtigte, deren Leben oder Gesundheit im Heimatland bedroht ist und die deshalb nicht abgeschoben werden dürfen, erhalten nur mehr eine Grundversorgung von ca. 320 Euro. Ebenso wie rechtskräftig verurteilte Straftäter mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten für einen der Freiheitsstrafe entsprechenden Zeitraum. Laut Meinung aller Kriminalsoziologen eine Maßnahme, die wegen Perspektivlosigkeit und Geldmangels der Ex-Häftlinge zu einem enormen Anstieg von Rückfällen und zu einer Erhöhung der Kriminalität führen wird.

 

Ebenso kontraproduktiv ist der sogenannte "Arbeitsqualifizierungsbonus" im § 5/6 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, der vorwiegend Asylberechtigte und Menschen ohne Pflichtschulabschluss diskriminiert. Für diese soll die Mindestsicherung auf 563 Euro gekürzt werden, solange bis sie Deutsch- und Wertekurse nachweisen können. Mit anderen Worten: Während Betroffene in tiefster Armut überleben müssen, sollen sie gleichzeitig noch eine neue Sprache lernen, um den volle Mindestsicherung zu erlangen. Verfassungsrechtlich umstritten und ein eklatanter Widerspruch gegen alle pädagogischen Theorien.

 

Die Mindestsicherung beträgt derzeit 0,9 % der gesamten Sozialausgaben bzw. ca. 1 Milliarde Euro. Mit über 6 Milliarden Euro jährlich wird von Experten der Abgaben- und Sozialbetrug beziffert, der von dieser Regierung kaum bekämpft wird. Auch die Einführung höherer Löhne in den Kollektivverträgen und die generelle Einführung eines Mindestlohnes von ca. 1700 Euro - es gibt noch immer zahlreiche Berufsgruppen, die bei Vollzeitarbeit unter 1500 Euro verdienen - wird nicht thematisiert. Das könnte ja der Wirtschaft nicht passen. Und tatsächlich sind - bei 137 negativen Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren - Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung die einzigen Institutionen, die die sozialpolitischen Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung gutheißen.

 

Beschlossen wird die Mindestsicherung (die weit unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1238 Euro liegt), von schwarz-blauen Nationalratsabgeordneten, deren Familieneinkommen (inklusive Nebeneinkünfte der Parlamentarier) zwischen 9000 bis weit über 20.000 Euro monatlich liegt. Selbst im Reichtum zu schwimmen und gleichzeitig einen Frontalkurs gegen die Ärmsten der Armen zu fahren! Gibt es Schäbigeres?