Trilog Kommission, Parlament, Rat: Das EU-Gesetzgebungsverfahren!

Kurz vor der EU-Wahl behelligt uns ÖVP-Bundeskanzler Kurz im "Balkanrouten"-Mantra wieder mit populistischen Sagern über den scheinbaren "Regelungswahnsinn" in der EU und beschuldigt sich damit eigentlich selbst. 

 

Das seit dem Vertrag von Lissabon 2007 normierte "ordentliche Gesetzgebungsverfahren" verteilt die legislativen Kompetenzen auf Kommission, Europäisches Parlament und Rat. In letzterem sitzen die jeweiligen Fachminister seiner Regierung, im "Europäischen Rat" (der die allgemeinen Prioritäten der EU festsetzt), treffen sich die Regierungschefs (inklusive Kurz). Entscheidungen werden dort meistens einstimmig getroffen, kritische Stellungnahmen des Bundeskanzlers aus diesem Gremium sind nicht bekannt.

 

Rechtsgrundlage des Gesetzgebungsverfahrens sind die Artikel 289 und 294 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Die EU-Kommission, gleichzeitig auch Exekutive der Europäischen Union, ist als einziges Organ befugt, EU-Rechtsakte vorzuschlagen. Darunter versteht man einerseits Verordnungen, die unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten, andererseits Richtlinien, die nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind und bei denen die Mitgliedstaaten Form und Verfahren selbst bestimmen können. Rat und Kommission können allerdings die Kommission auffordern, Gesetzgebungsvorschläge vorzulegen.

 

In einer ersten Lesung prüft das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission, kann diesen billigen oder Änderungen vorschlagen. Stimmt der Rat dem Standpunkt des Parlaments zu, dann gilt der Rechtsakt als erlassen. Ansonsten wird der geänderte Vorschlag an das Parlament zur zweiten Lesung verwiesen.

 

Die aktuell 751 Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben in der zweiten Lesung drei Möglichkeiten: a) Den Standpunkt des Rats billigen (= Rechtsakt erlassen), b) ablehnen (= Verfahrensbeendigung) oder c) Abänderungen vorschlagen.

 

In der dritten Variante wird der Gesetzesvorschlag an den Rat zur zweiten Lesung weitergeleitet. Dieser hat zwei Optionen: Alle Abänderungen billigen (= Rechtsakt erlassen) oder nicht alle Abänderungen billigen. Bei einer ablehnenden Stellungnahme der Kommission zu den Änderungsvorschlägen des Parlaments muss der Rat einstimmig entschieden, ansonsten reicht eine qualifizierte Mehrheit.

 

Billigt der Rat nicht alle Abänderungen des Parlaments, dann wird ein Vermittlungsausschuss einberufen, der sich zu gleichen Teilen aus Mitgliedern des Parlaments und Vertretern des Rates zusammensetzt. Man bezeichnet dieses informelle Verfahren auch als "Trilog-Verhandlung", die fast 90 % aller EU-Gesetze betrifft.

 

Der Vermittlungsausschuss hat 6 Wochen Zeit, um eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf zu erzielen. Die darauffolgende Beschlussfassung in der 3. Lesung (innerhalb einer weiteren Frist von 6 Wochen) ist dann meistens nur noch Formsache. Das Parlament entscheidet mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, der Rat mit qualifizierter Mehrheit. Bei zwei positiven Entscheidungen wird der Rechtsakt als Richtlinie oder Verordnung des Parlaments und des Rats kundgemacht.

 

Wie man anhand des Verfahrensablaufes sieht, ist der Rat bei allen Entscheidungsschritten gemeinsam mit dem EU-Parlament als Gesetzgebungsorgan eingebunden. Die Äußerungen von BK Kurz haben insofern einen rein populistischen, wahltaktischen und opportunistischen Charakter. Dass deren Absichten in den diversen Medien nicht schonungslos aufgedeckt werden, liegt (vermutlich) nicht nur an deren rechtskonservativen Blattlinien, sondern auch an den sündteuren Regierungsinseraten, im Jahr 2018 konkret 24,5 Millionen Euro.