Landesgalerie Krems: 5 Ausstellungen auf fünf Ebenen im Marte-Kubus!

Das neue Flaggschiff der Kunstmeile Krems hat jetzt endgültig seine Pforten geöffnet. Nach dem Pre-Opening im März, bei dem das Roh-Gebäude der vom Vorarlberger Architekten-Duo Bernhard und Stefan Marte konzipierten Landesgalerie Niederösterreich besichtigt werden konnte, besuchten beim Grand Opening am ersten Wochenende knappe 11.000 Personen die auf 3000 m2 auf fünf Ebenen präsentierten fünf Ausstellungen.

 

Basis des Museums-Konzepts sind die rund 60.000 Objekte der Kunstsammlung Niederösterreichs, die in den letzten 100 Jahren aufgebaut wurde und mit Werken aus Privatkollektionen ergänzt wird. Der Schwerpunkt liegt in der Kunst vom 19. Jahrhundert bis zum zeitgenössischen Schaffen, sämtliche Sparten von Grafiken, Fotografien und Gemälden bis zu Skulpturen, Medienkunst und Installationen sind vertreten. Die oft vor der Eröffnung aufgeworfene Frage, wie die Kunstwerke angesichts der schiefen Wände platziert werden, wurde kongenial durch Zwischenwände gelöst. 

 

Im Untergeschoß stellt die Landesgalerie Krems die Sammlung Franz Hauers vor, der als „Selfmademan“ zu den wichtigsten europäischen Kunstsammlern zählt. Der in Weißenkirchen 1867 geborene Hauer arbeitete zuerst als Hausknecht im Kremser Hotel „Zur weißen Rose“ und eröffnete später in Wien das legendäre Griechenbeisl. Das verdiente Geld investierte er in der Sammlung von Kunst. Ihn interessierten nicht die arrivierten Maler, sondern junge Talente, die er auch persönlich in den Ateliers besuchte. Ein Großteil der Sammlung Hauers stammt aus dem Nachlass seiner Enkelin und renommierten Künstlerin Christa Hauer (1925-2013), die diese an das Land Niederösterreich vermachte. Darunter das Porträt Franz Hauers von Oskar Kokoschka oder Werke von Schiele („Agonie“, „Wally“).

 

„Ich bin alles zugleich“, ein bekanntes Schiele-Zitat, ist der egomanische Titel der publikumswirksamen Ausstellung im ersten Obergeschoß, die sich mit der Selbstdarstellung in der Kunst bis hin in die Gegenwart beschäftigt und viele verschiedene Künstler unterschiedlicher Genres vereinigt: Schiele, Kokoschka, Gottfried Helnwein (mit seinen typischen mit Verbandsmaterial bandagierten Köpfen aus den 80ern), Christian Ludwig Attersee (mit 60er-Selbstporträt), Manfred Deix, Arnulf Rainer, Aktionskünstler Hermann Nitsch (mit „Bluthemd“) oder das teilweise aus Krems stammende progressive Künstler-Kollektiv Gelatin. Nichts passt allerdings besser zur aktuellen Ich-Bezogenheit der Gesellschaft als ein ganz in schwarz gehaltenes Gemälde mit lapidarem, weißem Schriftzug „Ich“. Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass durch die Digitalisierung die Privilegierung kleiner Minderheiten gefallen ist. „Durch Bildtypen wie Selfies (so auch der Titel seines jüngsten Buches) könne eine Mehrheit der Menschen Bilder produzieren und auch publizieren.“

 

Das dritte Obergeschoß stellt unter dem Titel „Sehnsuchtsräume – Berührte Natur und besetzte Landschaften“ Fragen zum Verhältnis von Mensch und Natur. Dieser weite Bogen umfasst nicht nur Kunstwerke des Impressionismus und der klassischen Moderne, sondern konfrontiert den Besucher durch Fotos niederösterreichischer Landschaften auch damit, wie der Mensch die Natur und die Umwelt in Verbindung mit seinen persönlichen Interessen nutzt, und hinterlässt nicht selten den Eindruck, dass hier nicht die optimalsten Lösungen getroffen wurden. Installationen wie „Wohin verschwinden die Grenzen?“ oder Fotos von Flüchtlingen in ihrer neuen Heimat, beispielsweise stehend in einem Weingarten vor der Donaulandschaft von Weißenkirchen, rufen das (leider) hochbrisante Thema Migration in die Gedächtnisse der Besucher.

 

Auf der höchsten Ebene der Landesgalerie besteht die Gelegenheit, sich mit dem Werk des österreichischen Fotografen, Schriftsteller und Aktionskünstlers Heinz Cibulka vertraut zu machen. Dazu zählen nicht nur Bildgedichte und digitale Bildcollagen, sondern auch eine Augmented Reality-Erweiterung in Zusammenarbeit mit dem Medienkünstler Bobby Rajesh Maholtra. Eine Aussichtsplattform bietet eine wunderschöne Aussicht auf die Donau und das Stift Göttweig und mittels einer kleinen dreieckigen Seitenfront auch auf die Altstadt von Stein.

 

Zurück per Lift oder mit etwas körperlicher Anstrengung per Stufen gelangt man im Erdgeschoß zur Ausstellung der österreichischen Künstlerin Renate Bertlmann, die dieses Jahr auch bei der Biennale in Venedig vertreten war. Eines der zentralen Werke eine meterlange „Urnenwand“. Bertlmann bat im Rahmen dieses Projekts Bekannte um die Zusendung persönlicher Urnenbeigaben, die eingerollt in Urkundenzylinder, aber unsichtbar für die Besucher, platziert wurden. 

 

Im Hintergrund sieht man den außerhalb der Landesgalerie situierten Schriftzug des Kremser Künstlers Leo Zogmayer. „Wenn ich Kunst sage, meine ich das Ganze.“ Nach den ersten Eindrücken: Das ist den kreativen Köpfen der Landesgalerie gelungen...