"Wie soll ich gut sein, wo alles so teuer ist?" - Das ist einer der Kernsätze im Brecht-Theaterstück "Der gute Mensch von Sezuan". Uraufgeführt wurde das unter der Mitarbeit von Ruth Berlaus und Margarete Steffins entstandene Werk 1943 im Schauspielhaus Zürich, im Volkstheater Wien ist das thematisch zeitlose, epische Lehrtheater jetzt unter der Regie von Robert Gerloff zu sehen.
Wie der Titel besagt, spielt das Theaterstück in der chinesischen Provinz Sezuan. Bertolt Brecht betont aber bereits im Vorwort, dass Sezuan "für alle Orte steht, an denen Menschen von Menschen ausgebeutet werden". Drei (einheitlich gekleidete) Götter besuchen die Erde und suchen nach einem "guten Menschen". Sie finden diesen - auf Wink des Wasserverkäufers Wang (der aufgrund betrügerischer Transaktionen nicht in Frage kommt) - in der Prostituierten Shen Te, die den Göttern ein Nachtlager anbietet und sich durch das geleistete Entgelt einen Tabakladen aufbauen kann. Überleben kann der vermeintlichte "Engel der Vorstadt" aber nur dadurch, dass sie in die Rolle ihres Cousins Shui Ta schlüpft. Arbeitnehmer werden schikaniert und schlecht entlohnt, die Polizei bestochen, und so ist Shen Te bald Inhaberin einer florierenden Tabakfabrik. Exzellent gespielt wird diese Doppelrolle von Claudia Sabitzer, die sich in Form von Lichtspots auch immer direkt an das Publikum wendet.
Gerloff installiert bei seiner Inszenierung in der Mitte der Drehbühne einen Turm, der gleichzeitig Fabrik und Wohnung der Prostituierten darstellt. Auf der Vorderfront platziert: Ein Porträt des Autors Bertolt Brecht, kongenial mit (auch paffender) Zigarette. Eine jazzige Band unter der Leitung von Imre Lichtenberger Bozoki ist links platziert, die immer wieder einzelne Szenen und die im Stück eingestreuten, unterhaltsamen Lieder Paul Dessaus (wie das "Lied des Wasserverkäufers im Regen" oder das "Terzett der entschwindenden Götter auf der Wolke") musikalisch begleitet. Bei den Kostümen besonders gelungen ist der riesige Mantel, aus dessen Ärmel die Hände der "achtköpfigen Familie" ragen. Auch ein Wink darauf, dass der individuelle Mensch im Zeitalter des Kapitalismus keine Bedeutung hat, sondern nur der Profit des Unternehmers im Mittelpunkt steht.
Brecht verbindet in "Der gute Mensch von Sezuan" Kapitalismus- und Religionskritik. Die Götter "sind nur Betrachtende", sie haben keine aktive Funktion und können den Menschen nicht helfen. Im Stück selbst finden die Protagonisten keinen Ausweg. Unter den Bedingungen des Kapitalismus können sie nicht finanziell überleben, wenn sie sich nur auf ihre "guten Werte" verlassen. Auch die Liebe bleibt auf der Strecke, da auch diese immer von materiellen Bestrebungen unterwandert wird.
Diese an sich aussichtslose Situation soll aber laut Brecht nur für das Stück selbst gelten. Wie bei epischen Lehrtheatern üblich endet auch "Der Gute Mensch von Sezuan" mit einem offenen Schluss: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen. Soll es ein andrer Mensch sein? Oder eine andere Welt? Vielleicht nur andere Götter? Oder keine?..... Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!"
Für linke Vordenker in einer kapitalistischen Gesellschaft Inspiration und Bestätigung gleichzeitig, klare Stellung zu beziehen gegen die neoliberale Ausbeutung der Arbeitnehmer in der Gegenwart. Stichworte: 12 Stunden-Tag (statt Arbeitszeitverkürzung), Scheinselbständigkeit, Ich-AG´s, Streichung von Sozialleistungen,...
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