Kurz vor der Nationalratswahl 2019 wurde im Parlament noch das sogenannte "Gewaltschutzpaket" beschlossen, das neben heftig umstrittenen, laut Experten kontraproduktiven Erhöhungen von Strafdrohungen und einer erweiterten Anzeigepflicht für Gesundheitsberufe auch Verschärfungen beim Betretungsverbot zum Schutz vor Gewalt enthält. Die einschlägigen Normen sind im Sicherheitspolizeigesetz bzw. in der Exekutionsordnung geregelt und gelten bereits ab 1. Jänner 2020.
Komplett neu konzipiert wurde der § 38 a SPG, der jetzt nicht nur ein Betretungs- sondern auch ein Annäherungsverbot umfasst. So können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Gefährder das Betreten der Wohnung des Gefährdeten (beispielsweise des Ehepartners oder des Lebensgefährten) im Umkreis von 100 Meter untersagen. Damit verbunden ist auch das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von 100 Metern. Bis dato waren hier nur 50 Meter normiert bzw. zielte das Annäherungsverbot explizit nur auf unmündige Minderjährige (unter 14) ab.
Das Thema ist angesichts der grassierenden Gewalt in Familien und Lebensgemeinschaften höchstaktuell. Laut der Kriminalstatistik 2018 wurden ca. 63 % der Gewalttaten in Beziehungen begangen, österreichweit wurden über 8000 Betretungsverbote ausgesprochen.
Der Gefährder darf als Rechtsfolge des Betreungs- und Annäherungsverbots den Verbotsbereich nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufsuchen. Nach einer sofortigen Abnahme der Schlüssel zur Wohnung hat er noch die Gelegenheit, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bereichs mitzunehmen. Danach muss er sich eine neue Unterbringung suchen.
Das Betretungs- und Annäherungsverbot gilt - außer bei einer etwaigen Aufhebung durch die Sicherheitsbehörde innerhalb von 3 Tagen - vorerst für 2 Wochen. Der Gefährdete hat aber die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung beim Bezirksgericht zu beantragen. Dann erfolgt eine Verlängerung auf insgesamt 4 Wochen, sofern der Gefährdete mittels verschiedenster Beweismittel (wie Zeugenaussagen, Patientenbriefe oder Polizeieinsätze) die gefährlichen Angriffe auf Leben, Gesundheit oder Freiheit glaubhaft machen kann.
Die einstweilige Verfügung kann bei Schutz vor Gewalt in Wohnungen längstens für 6 Monate (bei allgemeinem Schutz vor Gewalt für 1 Jahr) angeordnet werden, bei damit verbundenen Verfahren (wie einer Scheidung) kann das Gericht die Dauer mit dem rechtskräftigen Abschluss ansetzen.
Der Gefährder selbst hat binnen 5 Tagen ab Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots ein Gewaltpräventionszentrum zur Vereinbarung einer Beratung zu kontaktieren und an der Beratung aktiv teilzunehmen. Diese hat längstens binnen 14 Tagen ab Kontaktaufnahme stattzufinden. Unterlässt er dies, drohen neben einer Vorladung Geldstrafen bis zu 5000 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 6 Wochen.
Kritisiert wird von Experten, dass die bereits aus der Wohnung gewiesenen Gefährder die Kosten dieser Beratung selbst zu tragen haben. Dieses Bündel an Demütigungen kann zu Rachebedürfnissen führen, die die ohnehin schwierige familiäre Situation eskalieren lassen können.