Time is Thirsty! - Subtil-Minimalistische 90s-Ausstellung in der Kunsthalle Wien!

"Time is Thirsty" - So nennt sich eine noch bis 26. Jänner laufende Ausstellung der Kunsthalle Wien des im Museumsquartier. Thematisiert wird das Jahr 1992 (gleichzeitig das Gründungsjahr der Kunsthalle), durchaus auf eine unkonventionelle Art und Weise nach einer Idee des Kurators Luca Lo Pinto, der nach dieser Ausstellung als Direktor des Museo d´Arte Contemporanea di Roma (MACRO) tätig wird.

 

Betritt man den großen Hauptraum der Kunsthalle, dann wird man nicht - wie üblich - mit hunderten Artefakten eines Jahrzehnts und zahlreichen Inhalten erschlagen, sondern befindet sich in einer vergleichsweise leeren Halle mit verschiedensten Objekten, die - ohne Erklärungen (ein Booklet erhält man an der Kasse) - zwar schwer zuordenbar sind, allerdings nach freier Fantastie zu Assoziationen verknüpft oder zu sinnlichen Erlebnissen transformiert werden können. "The Feeling of this Show is an in-between status, like being in a club, where you don´t understand if the party just finished or has yet to start", so Pinto.

 

Durch die ganze Halle dröhnen Techno-Beats des britischen Experimentalmusikers Peter Rehberg und Soundloops des italienischen Elektronik-Duos Vipa, auf der Seite stehen leere Gläser von Jason Dodge, so wie einst auf den illegalen Rave-Floors der 90er. Die norwegische Künstlerin Sissel Tolaas versetzt das technoide Ambiente mit Geruch aus den Nineties. Ann Veronica Janssens besprüht in der Mitte der Halle den Boden mit "Blue Glitter", dessen Farbe sich je nach Blickwinkel verändert. Daneben ragt eine überlebensgroße, styropor-gefüllte Levis-Jeans, damals die Kult-Hose schlechthin. Weniger stilsicher zumindest nach heutigem Geschmack die multikulturelle Sportswear der niederländisch-chinesischen Designerin Carla Maria Fong Leng, dargestellt mit fünf Ankleidepuppen. Auf den Wänden platziert sind riesige Fleischwunden, laut Schöpferin Georgia Sagri "gleichsam soziale und ästhetische Körper", und das Bild einer Äffin mit gezücktem Revolver, die den aktuellen Selfie- und Instagramwahn mancher Frauen stellvertreterisch persifliert.

 

Die Worte "Merry Christmas" weisen auf ein revolutionäres Ereignis vom 3. Dezember 1992 hin, als der junge Testingenieur Neil Papworth die erste SMS mit diesem Text über das Vodafone-Netzwerk an das Telefon von Richard Jarvis schickte. "Why I hate the Internet", ein aus einem Buch herausgerissenes Gedicht von Dorothea Lasky, regt zum Nachdenken an über die sinnentleerte Like-Culture der Jetzt-Zeit. 

 

Ohne Zeitangabe auf den Wänden zu lesen sind selektierte Artikel über Ereignisse von 1992, die so auch in der Gegenwart passieren könnten:_ Demos gegen Fremdenhass (in Deutschland), Ausschreitungen wegen Polizeigewalt in Los Angeles (der Fall Rodney King) oder ausgeartete Meinungsverschiedenheiten zwischen Rave Hippies und Dorfbewohnern in England.

 

Kurator Pinto verbindet geschickt künstlerische Positionen der Vergangenheit mit der Gegenwart unter der (kaum widerlegbaren) Prämisse, dass nahezu alle aktuellen Kreationen Reinkarnationen, Variationen oder Kopien früherer Jahre sind. Nicht in der Kunsthalle Wien, aber im Stadtraum zu sehen, ist ein Plakat mit dem Schriftzug "Es ist nur eine Frage von Zeit". Der Schöpfer dieses Plakats aus dem Jahre 1992, Felix-Gonzales-Torres, ist 1996 an Aids gestorben. Die Immunschwächekrankheit ist auch heute noch unheilbar...

 

"Time is Thirsty" ist noch bis 26. Jänner im MQ zu sehen...