Himmelhochjauchzend vs. zu Tode betrübt oder am Abgrund zwischen Genie und Wahnsinn. Künstler, egal aus welcher Sparte, sind Grenzgänger, müssen das wohl auch sein, um ihr kreatives Potential energetisch zu nützen, und haben eine viel kürzere Lebenserwartung als der Durchschnittsbürger. Drogen, Depressionen, Burn-Out, private Selbstzerstörung,..... haben progressive, musikalische Lichtgestalten wie Jim Morrison, Janis Joplin, Jimmy Hendrix, Brian Jones oder auch Falco viel zu früh in die Ewigen Jagdgründe befördert.
Auch Ian Curtis, der Sänger der Cold Wave-Pioniere Joy Division, ist dieser elitären Liga zuzurechnen. Er beging am 18. Mai 1980 mit 23 Jahren Selbstmord durch Erhängen, 2 Tage vor dem Start einer Amerika-Tournee mit seiner Band, die sich nach einer Prostituierten-Riege in einem deutschen KZ benannte und als Protagonisten des Manchester-Sound und des legendären Factory-Labels rund um Mastermind Tony Wilson gilt. „Love will tear us apart“, der posthum erfolgreichste Kult-Hit der Band, wurde zum Lebensschicksal für Curtis, der zwischen 2 Lebensszenarien verloren umherpendelte, einerseits Familienvater, verheiratet mit Kind und spießigem Arbeitsamt-Job, andererseits charismatischer Wave-Poet in einer Zeit des subtilen Aufbruchs mit existentialistischem „She´s lost Control“-Sound und schicker Freundin Annik. Dazu noch epileptische Anfälle, die von den Fans fälschlich als Show-Act interpretiert wurden, und schwere Depressionen.
Depeche Mode-„Enjoy the Silence“-Clip-Regisseur und Star-Fotograf Anton Corbijn, der die Band in seinen Jugendjahren kennengelernt hat, verfilmte in seinem 2-Stunden-Epos „Control“ das Leben von Ian Curtis in düsteren Schwarz & Weiss-Tönen, auf der Grundlage der Biographie „Touching from a Distance“ von Ehefrau Deborah Curtis. In der Titelrolle als perfekte Reinkarnation von Ian Curtis Sam Riley, der - Drogencocktails und Gossen-Look vorausgesetzt - durchaus auch Pete Doherty doublen könnte (falls dieser wieder mal ein Konzert verschläft). Die Desperate Ladies an seiner Seite spielen Samantha Morton und German Export Alexandra Maria Lara.
Das Cover des 2. Albums „Closer“, nach dem Tod von Curtis veröffentlicht und Top Ten-Verkaufssmash, ziert übrigens ein Grabmal auf dem Friedhof Staglieno in Genua - indirekt war es aber nicht das Ende, sondern der Anfang einer schaurig-schönen Ära der britischen Popmusik. Aus Joy Division wurden New Order, das minimalistische Synthesizer-Meisterwerk “Blue Monday” zur meist verkauften Maxi-Single aller Zeiten und zum Vinyl-Pionier einer vollkommen neuen Musikrichtung, die seit damals die Club Culture in all ihren Ausprägungen dominiert: dem Techno.