Hello, Friendly Alien! Unterwegs im Kunsthaus Graz!

Für Graz, die zweitgrößte Stadt Österreichs, waren es zwei bahnbrechende, zukunftsweisende Jahre. 1999 wurde die historische Altstadt von Graz zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt, 2003 hatte die Stadt an der Mur die Ehre, sich als Kulturhauptstadt 2003 als moderne, innovative Metropole mit zahlreichen Events und Aktionen zu präsentieren. Im Zuge dessen entstanden mit der zuerst nur temporär konzipierten Murinsel und dem Kunsthaus Graz auch zwei Bauwerke, die (wie üblich in konservativen Milieus) auch auf Kritik stießen.

 

Das Kunsthaus Graz wurde von den britischen Architekten Peter Cook und Colin Fournier geplant. Als Standort wurde absichtlich nicht das mondäne, historische Graz gewählt, sondern der kulturell wenig erschlossene Arbeiterbezirk Lend, allerdings direkt am Murufer mit Blickrichtung auf den Schlossberg und die Altstadt. Das Gebäude grenzt unmittelbar an das "Eiserne Haus", ein ca. 1850 errichtetes Warenhaus, das mit dem Kunsthaus verbunden wurde. Eine Integration, die in der Bevölkerung - nicht unerwartet - teilweise mit Kopfschütteln quittiert wurde.

 

Architekt Colin Fournier selbst bezeichnet sein Bauwerk als "Friendly Alien", als "biomorphes, undefinierbares Etwas, ein Hybrid, fremd und vertraut zugleich, mit dem Charme eines freundlichen streunenden Bastards mit höchst fragwürdigem Stammbaum." Stilistisch zählt das Kunsthaus zur Blob-Architektur, deren Bauten auf komplexe, gerundete und biomorphe (lebenden Wesen nachempfundenen) Formen beruhen.

 

Im Epizentrum steht eine blau schimmernde Blase, die mit einer Spannweite von bis zu 60 Metern eine Stahlbetonkonstruktion umspielt. Auf dem Bauwerk sind 15 rüsselartige Öffnungen, die sogenannten "nozzles", angebracht, die das Tageslicht in den Ausstellungsräumen regulieren. Eine davon fokussiert den Uhrturm und stellt damit eine Verbindung zwischen den beiden wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt her. Durch integrierte Lichtelemente kann die Außenfassade des Kunsthauses als mediale Präsentationsfläche genutzt werden.

 

Das Kunsthaus, das neben zwölf anderen Standorten zum Universalmuseum Johanneum zählt, weist - inklusive Tiefgarage - eine Bruttogeschoßfläche von 13.100 m2 auf. Im Inneren besteht es aus drei Ebenen, die per Laufband ("Travelator") erreichbar sind. Die Ausstellungsflächen (von insgesamt 2500 m2) in den oberen Ebenen (Space01, Space 02) beherbergen keine permanente Sammlung, sondern zeitgenössische Wechselausstellungen. 

 

Zuletzt wurden im Rahmen der Ausstellung "Kunst-Handwerk - Zwischen Tradition, Diskurs und Technologien" acht unterschiedliche künstlerische Positionen präsentiert. Die Palette reichte dabei von meterhohen Strohraumanordnungen, Flechttechniken aus Kamerun bis hin zu medienübergreifenden Installationen des polnisch-iranischen Künstlerkollektivs "Slavs and Tatars". Der bulgarische in Wien lebende Künstler Plamen Dejanoff platzierte in verkleinerter Form sein rasterförmiges "Bronze House", der Kubaner Jorge Pardo ein überdimensionales Regal mit unterschiedlichen Waren, Gegenständen und Objekten. Wie aus einem futuristischen Star Trek-Film wirken die aus Kunststoffen hergestellten "Intermediates" der koreanischen Künstlerin Haegue Yang. "Diaspora Scroll" der aus Bosnien stammenden Azra Aksamija visualiert mittels Stick- und Gewebemuster Migrationsschicksale.

 

Nach einem Rundgang durch das zweistöckige Ausstellungsgelände genießt man von der "Needle", einer verglasten Aussichtsplattform, einen großartigen Ausblick auf die historische Altstadt von Graz und die Mur. Wer Lust auf Frühstück, Snacks, Drinks oder DJ-Sound hat, setzt sich ins erdgeschossige Kunsthaus-Cafe, das tagsüber bis in die Abendstunden prall gefüllt  ist und für eine hippe Aufwertung des Bezirks geführt hat.

 

Die internationalen Reaktionen auf die architektonische Gestaltung des Kunsthauses Graz mit Baukosten von rund 38 Millionen Euro dagegen sind unterschiedlich. Der britische Guardian reihte das futuristische Wahrzeichen der Stadt bezüglich des Kriteriums "moderner Architektur" auf den ersten Platz. Das US-Magazin Current Affairs war weniger friendly zum "friendly alien". In der Reportage "Why you hate contemporary architecture and if you don´t, why you should..." warfen die Autoren dem Blobitecture-Artefakt vor, die Struktur eines alten Städtchens zu zerstören ("The entire fabric of the village is disrupted").

 

Reine Ansichtssache und wohl noch jahrzehntelang Diskussions-Thema in und außerhalb von Graz. Insofern haben die kreativ-provokativen Architekten alles richtig gemacht. Das "friendly Alien" lächelt insgeheim und freut sich über zahlreichen Besuch aus aller Welt...

 

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz

 

Öffnungszeiten

Di-So, Feiertag 10 - 17 Uhr

 

 

Kunsthauscafé

Mo-Do 9-23 Uhr

Fr-Sa 9-1 Uhr

 

So 9-20 Uhr