Seit einer Woche werden aufgrund der Corona-Virus-Krise die Grund- und Freiheitsrechte der in Österreich lebenden Bürger drastisch eingeschränkt. Diese aufgrund des Rats von Gesundheitsexperten verhängten Maßnahmen mögen durchaus sinnvoll und verhältnismäßig sein, machen aber gleichzeitig auch Angst. Und zwar Angst vor der Bevölkerung, die die Einschränkungen der Freiheiten nicht nur kritiklos hinnimmt, sondern im Gegenteil sogar jene Bürger denunziert, die sich nicht freiwillig härteren Restriktionen der Bewegungsfreiheit unterwerfen.
So ist seit Montag, dem 16. März, das Betreten öffentlicher Orte zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 verboten. Im § 2 werden fünf Ausnahmen normiert, die die Gefahrenabwehr, die Hilfeleistung unterstützungsbedürftiger Personen, den Einkauf von Gütern des täglichen Lebens, die berufliche Tätigkeit und das Betreten öffentlicher Orte im Freien mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben (also der Familie, dem Lebenspartner, Mitbewohnern,…) umfassen.
Letztere Randziffer 5 inkludiert Spaziergänge, Radfahren oder Joggen in den ohnehin meist menschenleeren Straßen und in freier Natur, bei denen außerdem ein Sicherheitsabstand von mindestens einem Meter eingehalten werden muss. Renommierte Virologen wie Christian Drosten und Alexander Kekule befürworten den Aufenthalt im Freien, da ein wochenlanges Verbarrikadieren in engen, geschlossenen Räumen zu extremen psychologischen Spannungen und Belastungen führt.
Ein Teil der Bevölkerung sieht dies anderes, sie fordern unter dem Motto „Stay at home“ eine (kontraproduktive) Ausgangssperre für alle. Und das sind meistens jene, die von einem riesigen Balkon auf die flanierende Masse herabsehen oder ein eigenes Haus im Grünen besitzen. Abseits der Realität armer Leute lebende Politiker wie ÖVP-Nationalratspräsident Sobotka befeuern derartige Initiativen noch mit Zitaten wie „Die Leute müssen hinaus in ihre Gärten“. Gerade einmal 40 Prozent der Österreicher besitzen einen Garten, Vertreter systemkritischer Berufe (wie Supermarktkassiererin, Pflegerin oder Kindergärtnerin zählen meistens nicht dazu). „Im klopapiergefüllten Neun-Zimmer-Stuckaltbau lässt sich eine Ausgangssperre viel leichter ertragen als alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern in der Einzimmerwohnung“ formuliert es kongenial der deutsche Journalist und Autor Sascha Lobo („Realitätsschock“).
In den sozialen Medien wird übelster Rassismus betrieben. Man desavouiert „chinesisch“ aussehende Menschen auf einer menschenleeren Straße und regt sich auf, was die hier noch verlorenhaben. Eine Mutter, die mit ihrem Kind im Supermarkt Waren einkauft, wird denunziert. Oder ein verliebtes junges Pärchen, das neben dem Wiener Donaukanal – in ausreichendem Sicherheitsabstand – spazierengeht und den Frühlingsbeginn genießt. Oder Autofahrer mit Wiener Kennzeichen im niederösterreichischen Hoheitsgebiet. Auf Twitter und Facebook fordern Poster – mit Klarnamen - die Polizei sogar auf, gegen diese üblen Rechtsbrecher (!) vorzugehen. Dies erinnert an dunkelste Zeiten.
Und natürlich stehen auch wieder die Migranten im Zentrum der allgemeinen Hetze, die die Straßen und Gassen scheinbar in riesigen Menschenmassen bevölkern. Wie sollen unsere ausländischen Mitbürger eine Verordnung verstehen, wenn diese nicht einmal von den Österreichern (und nur diese spricht der türkise Bundeskanzler an) richtig interpretiert wird? Oder von Teilen der Wiener Polizei, die im Wiener Rathauspark mit Lautsprecher harmlose Passanten von den Bänken aufscheuchen (obwohl das dortige Sitzen rechtlich zulässig ist), auf Schildern Familienausflüge, Picknicks oder Radtouren als illegitim erscheinen lassen (obwohl in der Verordnung davon kein Wort steht) und in der ersten Geltungswoche fast tausend Anzeigen wegen mutmaßlicher Verstöße verhängten!
Das Betreten öffentlicher Orte wird am Montag aufgrund steigender Infektionszahlen für weitere drei Wochen verlängert. Die Ausnahmen gelten weiterhin. Ein Teil der Bürger wird diese weiterhin nicht akzeptieren und Mitbürger drangsalieren, weil sie ein Gesetz nicht einhalten, das gar nicht existiert. Eines, das – würde es existieren – die Grundrechte der Bürger noch mehr einschränken würde.
Die Corona Virus-Epidemie ist gefährlich, noch gefährlicher ist allerdings die untertänige Obrigkeitshörigkeit der Österreicher. Man bekommt Angst in der Alpenrepublik. In der ein Viertel nichts gegen einen Führer hat, der sich nicht um ein Parlament und Wahlen kümmern muss. Oder ist die Dunkelziffer noch höher?