"There's nothing more dangerous than someone who wants to make the world a better place." Eines der vielen schlagkräftigen Zitate des britischen Aktivisten Banksy, meist gepaart mit gesellschaftskritischer Street Art Culture. Von Banksy kennt man kein Gesicht, man vermutet, dass er 1974 im Bristol geboren wurde. Die ganze Welt kennt allerdings seine kreativen Kunstwerke, Projekte und Aktionen. Die nicht von Banksy autorisierte Ausstellung "Genius or Vandal?" zeigt über 70 Bilder, Installationen und Videos des Künstlers, die nach Moskau und Madrid auch im graffiti-affinen Lissabon präsentiert wurde. Als Standort wurde eine ehemalige Seilherstellungsfabrik nahe des Tejo gewählt, das seit 1998 für temporäre Ausstellungen fungierende Cordoaria Nacional.
Die Frage, ob Banksy jetzt ein Genie oder ein Sachbeschädiger ist, stellt sich vielleicht in konservativ-elitären Kreisen, die Kritik an der herrschenden Gesellschaft ablehnen, oder in Milieus, die Zeichnungen auf U-Bahnen, Gebäuden oder Mauern als "Schmierereien" gelangweilter Nichtstuer abqualifizieren. Für die Besucher der dunkel ausgestatteten Ausstellungsräume (in denen die knalligen Graffitis Banksys besonders gut zur Geltung kommen) stellt sich die Frage nicht, für die ist der britische Street Artist ein progressiv-visionärer Held. So auch für den Kurator Alexander Nachkebiya: "He is a messenger, he is not somebody who can solve anything, he is not somebody who has the power to solve a problem, he is just showing us the problem."
Die Exhibition zeigt nahezu das gesamte Spektrum des englischen Künstlers: "The Girl with a Balloon", im Juli 2017 zum Lieblingsbild der Briten gewählt und im Oktober 2018 bei einer Versteigerung in London (als Kritik am Kunstmarkt) geschreddert, gesellschafts-, kapitalismus- und umweltkritische Graffitis a la "Stop Esso", klare Statements gegen Polizeigewalt und Rassismus, die kontroversen "Holocaust Lipstick Jews" oder Ausschnitte aus seinem Dokumentarfilm "Exit through the Gift Shop" in Zusammenarbeit mit dem französischen Regisseur Thierry Guetta. Wie sein Vorgänger Blek le Rat wählt Banksy gerne das Motiv der Ratten (" the only wild living animals in cities, which will survive when the human race will have disappeared and died out”), die in einem eigenen Areal bildlich dokumentiert werden. Mittels Live-Screens werden die Ausstellungsbesucher sogar selbst zum Epizentrum einer Videoinstallation.
Ein besonderes Projekt des Künstlers ist das "Walled Off Hotel" in Bethlehem, das unmittelbar an der Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland liegt. Seit 2005 sprayt Banksy Graffitis auf die Grenzmauer, im Hotel selbst, das mit der "schlechtesten Aussicht der Welt" wirbt, übernachteten seit der Eröffnung 2017 mehr als 130.000 Gäste.
Thematisiert wird auch die desaströse britische Regierungspolitik im Zusammenhang mit dem Brexit: "Devolved Parliament" stammt zwar aus dem Jahr 2009, ist allerdings aktueller denn je. Es zeigt - anstatt von Politikern - Schimpansen im britischen Unterhaus. Ob da nicht die Affen klagen könnten? Das dazugehörige Gemälde wurde im Oktober 2019 zum fünffachen Wert um 11 Millionen Euro bei Sotheby´s ersteigert. Gezeigt wird auch ein im Mai 2017 auf einer Hauswand in Dover erstelltes Banksy-Werk, auf dem ein auf einer Leiter stehender Handwerker einen Stern aus einer EU-Flagge herausmeißelt.
Den Brexit konnte leider keiner aufhalten, auch die Street Artists nicht. Deren Bedeutung nicht nur für die moderne Kunstszene, sondern auch als Agitatoren für Kritik, Aktivismus und Rebellismus gegen konservative, autoritäre und rigide Strömungen des politischen Systems kann allerdings keiner abstreiten. "If Graffitis changed anything, it would be illegal", Copyright by Banksy...