"Memory is the Weapon": Performance Street Art von Robin Rhode in der Kunsthalle Krems!

Champagner aus Stacheldraht, Fahnen aus Ziegeln oder aufgeklappte Kampfmesser. Bizarre Motive, die der aus Südafrika stammende Künstler Robin Rhode in seiner aufgrund der Corona-Krise verspätet eröffneten Ausstellung in der Kremser Kunsthalle präsentiert. Bizarr allerdings nur, wenn man nur die oberflächliche Ästhetik seiner Werke betrachtet und den politisch-gesellschaftlichen Hintergrund ausblendet.

 

Robin Rhode lebt seit 2002 in Berlin und betreibt dort ein Studio in einem ehemaligen Brauhaus, aufgewachsen ist er allerdings in Johannesburg zur Zeit der Apartheid. Der Titel seiner Ausstellung, "Memory is a Weapon", stammt vom Dichter Don Mattera, der einst die gefürchtete Gang der "Vultures" (so auch die Tradermark der bereits erwähnten Messer-Serie) anführte und dann zum Widerstandskämpfer und Sozialarbeiter kristallisierte. Rhode bezieht sich dabei explizit nicht auf Gewalt, sondern auf die Erinnerung an die eigenen Wurzeln, die vor dem Vergessen schützen sollen. Der 1976 geborene Künstler gehörte als Kind persisch-jamaikanischer Vorfahren zur  sogenannten "Coloured Community". Weder Schwarz noch Weiß.

 

Dass sich seine ersten Arbeiten mit dem Fahrrad beschäftigten, ist kein Zufall. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden heimkommende südafrikanische Soldaten belohnt, die Weißen mit Land, die Schwarzen mit einem Fahrrad. Die Methodik seiner Kunstwerke hat er bereits zu Beginn seines künstlerischen Schaffens begründet. Als Oberfläche dienten stets eine Mauer oder der Boden, die per Kohlestift mit bestimmten Motiven bemalt wurden. Verschiedene Personen, zuerst er selbst, dann Jugendliche aus der Umgebung (die er als "Art Army" bezeichnete) fungierten als Akteure, die - wie in Filmen der Frühzeit - diverse (serielle) Handlungen gemäß Storytelling setzen. Diese Aktionen werden fotografiert, per Computer bearbeitet und teils zu Videoinstallationen transformiert (die alternierend im Obergeschoß der Kunsthalle auf Videoscreens projiziert werden).

 

Beim weltberühmten digitalen Animationsfilm "Piano Chair" beispielsweise wird ein Pianist gezeigt, der sein Klavier zertrümmert und in Flammen setzt. Grundlage dieser Installation ist die Tragödie des Jazzpianisten Moses Taiwa Molelekwa und seiner Frau, die tot aufgefunden wurden und deren Morde bis heute nicht aufgeklärt sind. "Twilight" zeigt Federn in verschiedenen Black & White-Schattierungen, die auf die Identität der Coloured Community hinweisen. Die "Stone Flag" zieht einen Konnex zu Migranten des 19. Jahrhunderts, die damals Ziegelhäuser für die Oberschicht fabrizierten. Imposant ist auch die Performance "Fate of Destiny", bei der die zwei Schauspieler Kevin Narain und Maxime Scheepers inmitten eines Klettergerüsts aus Johannesburg Inhalte des Gedichtbandes "Cry Rage" rezitieren, der 1972 von der südafrikanischen Regierung verboten wurde.

 

Bis 2018 kreierte Rhode seine Werke immer auf derselben sonnenumfluteten Mauer in Johannesburg. Dann zog er sich aus diesem immer gefährlicher werdenen Distrikt zurück. Seine Assistenten wurden von Gangs überfallen oder kauften sich mit dem verdienten Geld Drogen. Zwei seiner neueren Werke entstanden daher auf einer Mauer in Jericho, "Melancholia" (mit Referenzen zu Dürer) und "Tree of Life". 

 

Rhode selbst sieht sich nicht als Street Artist im klassischen Sinn, sondern übermalt nach Fertigstellung seine Kreationen wieder, die bereits in zahlreichen renommierten Museen wie dem MoMA in New York, dem Pariser Centre Pompidou oder dem Tate Modern in London zu bewundern waren. Viel eher als DJ-Remixer in dem Sinne, "dass sich auf dem einen Plattenspieler die Welt dreht, mit der ich aufgewachsen bin, während auf dem anderen Gerhard Richter, Albrecht Dürer oder Max Ernst spielen." Pump up the Volume! 

 

"Robin Rhode - Memory is the Weapon" - Von 1. Juli bis 1. November 2020 in der Kunsthalle Krems.