VfGH: Covid-19-Verordnungen über Betretungsverbote teilweise gesetzwidrig!

Von „juristischen Spitzfindigkeiten“ spricht Bundeskanzler Kurz, tatsächlich aber waren die Covid-19-Verordnungen laut Verfassungsgerichtshof teilweise gesetzwidrig. Und vermutlich ist dies nur die Spitze des Eisberges. Denn von den derzeit rund 70 Fällen wurden erst 19 erledigt, weitere Anträge dürften eingebracht werden.

 

Als verfassungskonform wurde entschieden, dass das Covid-19-Maßnahmengesetz – anders als das Epidemiegesetz 1950 - keine Entschädigungen für Betriebe vorsieht, die als Folge eines Betretungsverbotes geschlossen wurden. Begründet wird dies damit, dass die türkis-grüne Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket geschlossen hat. Der große Unterschied, vom Verfassungsgerichtshof als „rechtspolitischer Gestaltungsspielraum“ bezeichnet: Durch die Aushebelung des Epidemiegesetzes hat die Kurz-Regierung den Rechtsanspruch auf Verdienstentgang für Unternehmer und Selbstständige beseitigt, sie wurden dadurch zu Bittstellern degradiert. Die derzeit gewährten Subventionen, Fixkostenzuschüsse und Sonderzahlungen entsprechen in ihrem Ausmaß in keiner Weise den tatsächlichen Ausfällen der Wirtschaftstreibenden.

 

Gesetzwidrig war das Betretungsverbot für Geschäfte mit einem Kundenbereich von mehr als 400 Quadratmetern zwischen 14. und 30. April 2020. Im Gegensatz zu Bau- und Gartenmärkten, die ohne Rücksicht auf die Größe ihres Kundenbereichs vom Betretungsverbot ausgenommen waren, durften diese nicht geöffnet werden. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung war für den Verfassungsgerichtshof nicht ersichtlich. Schadenersatzklagen von Geschäftstreibenden, die von den Schließungen betroffen waren, sind zu erwarten.

 

Die gesetzliche Grundlage für Betretungsverbote in bezug auf Betriebsstätten, Arbeitsorte und sonstige bestimmte Orte, das sogenannte Covid-19-Maßnahmengesetz,  ist verfassungskonform, da eine Einschränkung diverser Grundrechte aufgrund bestimmter öffentlicher Interessen (wie dem Gesundheitsschutz) zulässig ist. Teilweise gesetzwidrig war allerdings die Verordnung über das Betretungsverbot für öffentliche Orte, die sogenannte „Covid-19-Lockerungsverordnung“.

 

Der VfGH hat aufgrund eines Individualantrages eines Wiener Universitätsassistenten entschieden, dass die §§ 1, 2, 4 und 6 der Verordnung gesetzwidrig waren. Der zuständige Gesundheitsminister Anschober (bzw. seine Juristen) haben per Verordnung ein allgemeines Ausgangsverbot (mit Ausnahmen) verhängt, obwohl das zugrundeliegende Gesetz nur ein Betretungsverbot für bestimmte, eingeschränkte Orte erlaubt.

 

Verfassungsrechtler Heinz Mayer hat das Gesundheitsministerium mehrmals auf diese rechtlichen Mängel aufmerksam gemacht. Ohne Erfolg. Die Ausgangsbeschränkungen sind mit 30. April zwar außer Kraft getreten, nicht aber der Mindestabstand von einem Meter gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Dieser sei zwar rechtlich gültig, aber ebenso gesetzwidrig, sodass etwaige Strafen wegen Nichteinhaltung alle (erfolgreich) angefochten werden können.

 

Apropos Strafen. Hier ist das weitere Procedere noch offen. Auf der sicheren Seite stehen die, die ein Rechtsmittel gegen die Verwaltungsstrafe eingebracht haben und deren Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Der VfGH hat ausdrücklich ausgesprochen, dass die gesetzwidrigen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind. Somit keine Geldstrafe. Schwieriger könnte es für jene werden, die bereits die Verwaltungsstrafe bezahlt haben. Deren Verfahren ist zwar formell abgeschlossen, allerdings kann (ohne Rechtsanspruch) die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde die Strafen wegen Rechtswidrigkeit nachträglich aufheben, beispielsweise in Form einer Weisung des Gesundheitsministers.

 

Auch die aktuellen Covid-Verordnungen stehen rechtlich auf wackeligem Fuße. Die 8. Novelle der Lockerungsverordnung beispielsweise normiert, dass in Supermärkten, Banken und Postfilialen verpflichtend eine Maske zu tragen ist. Die lapidare Begründung des Bundeskanzlers (und Studienabbrechers) Kurz, „der Gang in diese Betriebsstätten sei ein Muss, andere Geschäftswege verzichtbar“ erscheint faktisch wenig fundiert.

 

 

Selbst die Einführung der Maskenpflicht per se dürfte in den nächsten Monaten beim Höchstgericht landen. Es handelt sich dabei um einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die körperliche Unversehrtheit bzw. in die allgemeine Handlungs- und Berufsfreiheit. Eine wissenschaftliche Evidenz für die Sinnhaftigkeit der Maskenpflicht ist bis heute weltweit nicht vorhanden. Über die seltsame Rechtfertigung „Nützt nix, schadt nix“ ziehen sogar Public Health-Experten lange Grimassen…