„Lockdown“? – NR-Hauptausschuss muss dem Kultur-, Gastro- und Sport-Overkill zustimmen!

Veranstaltungsverbot in der gesamten Unterhaltungs- und Freizeitindustrie (von Theater, Konzerthallen bis Kinos und Messen), Schließung der Gastronomie, Geisterspiele im Profi-Sport, Einstellung des Amateur-Sports, Verbot von touristischen Reisen im Inland. Das sind nur einige der rigorosen Maßnahmen, die die deutsche Merkel-Regierung für den gesamten November beschlossen hat, um die Corona-Krise einzudämmen.

 

Für einen Großteil dieser Maßnahmen gibt es weder eine wissenschaftliche Evidenz noch eine schlüssige Fakten-Analyse. So sind bis dato keine Kulturveranstaltungen mit Präventionskonzepten bekannt, bei denen Infektionsfälle aufgetreten sind. Die Clusteranteile der Gastronomie bewegen sich bei ca. 2 Prozent, eine Schließung der ebenfalls mit Hygienekonzepten ausgestatteten Bars und Kneipen wird zu Superspreaderparties im privaten Wohnbereich führen. Nicht angetastet dagegen wurde der Arbeitsbereich, obwohl gerade Großraumbüros zu den gefährlichsten Ansteckungsorten zählen. Kein Thema sind in der kapitalistischen Merkel-Welt auch das Recht auf Home Office, Fabriksschließungen oder Arbeitszeitverkürzungen, die nicht nur die sozialen Kontakte am Arbeitsplatz, sondern auch in den überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln zu Stoßzeiten reduzieren würden…

 

Trotz dieser eklatanten Mängel und der nochmaligen Demolierung der Unterhaltungs- und Freizeitindustrie dürfte die türkis-grüne Bundesregierung den „deutschen Lockdown“ fast gänzlich übernehmen. Unter der Voraussetzung, dass der Hauptausschuss des Nationalrates zustimmt. Rechtsgrundlage ist das Covid-19-Maßnahmengesetz, das in den §§ 3-5 Regelungen zum Betreten von Betriebsstätten und Arbeitsorten (§ 3), das Betreten von öffentlichen Orten (§ 4) und die Ausgangssperren (§ 5) vorsieht. Rechtlich interessant ist der Passus „sofern gelindere Maßnahmen nicht ausreichen“. Eine Schließung der Gastronomie oder Veranstaltungsverbote sind daher nur dann zulässig, wenn sie das letzte Mittel sind, um die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern. Im Theaterwesen beispielsweise ist aufgrund der rigiden Sicherheitsvoraussetzungen (Maskenpflicht auch am Sitzplatz, freie Sitzplätze zwischen den Besuchergruppen, strenge Ausschankregeln, Leitsysteme mit Abstandhalten, Datenbekanntgabe zwecks Contact Tracing) seit Wiedereröffnung der Herbstsaison kein einziger Infektionsfall bekannt.

 

Betretungsverbote gemäß den §§ 3 und 4 treten gemäß § 11 spätestens vier Wochen nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ausgangsregelungen, die normieren, dass man „den privaten Wohnbereich nur zu bestimmten Zwecken verlassen darf“, dürfen nur dann erlassen werden, wenn ein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung droht. Dazu fehlt bis heute eine schlüssige Interpretation. Im Gegenteil: Die Bundesregierung hat bis dato noch nicht einmal einen Plan über die Intensivbett-Kapazitäten der einzelnen Bundesländer. Eine derartige Verordnung tritt auf jeden Fall spätestens zehn Tage nach ihrem Inkraftttreten außer Kraft, kann allerdings verlängert werden.

 

Die Verordnungen gemäß den §§ 3-5, die massiv in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger eingreifen und daher auch der nachträglichen Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten müssen (Eilverfahren wie in Deutschland sind leider gesetzlich nicht vorgesehen), bedürfen des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates. Bei Gefahr im Verzug muss innerhalb von 4 Tagen nach Erlassung ein Einvernehmen hergestellt werden.

 

Im Hauptausschuss des Nationalrates sitzen derzeit 23 Mitglieder: 9 ÖVP, 3 Grüne, 5 SPÖ, 4 FPÖ und 2 Neos. Ein Beschluss kann (leider) bereits mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Die Opposition kann daher alleine einen „österreichischen Lockdown“ nicht verhindern, der vor allem von der rechtskonservativen ÖVP propagiert wird. Zünglein an der Waage sind allerdings die Grünen, die bis zu ihrem Eintritt als Regierungspartei – unter Inanspruchnahme noch so chancenloser Rechtsmittel – alle Anstrengungen unternommen haben, um die Grundrechte der Bürger zu verteidigen. Jetzt könnten sie in die Geschichte eingehen als jene Partei, die zum zweiten Mal – trotz konträrer Ideologie - gemeinsam mit der ÖVP das gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Leben lahmlegt, ohne wirksame Alternativen zu präsentieren.

 

 

Leider sprechen die derzeitigen Aussagen dafür, dass ÖVP und Grüne das „deutsche Modell“ übernehmen und der Kultur, dem Sport, der Gastronomie, der Veranstaltungsbranche und der Freizeitwirtschaft einen weiteren Kinnhaken ins Gesicht verpassen, den viele Unternehmer und Selbständige finanziell nicht überleben werden. Für die Normalbürger gilt: „Bonjour Tristesse“, und ein düsterer, dystopischer Blick auf Orwells 1984: "Everything other than working was forbidden: walking in the streets, having fun, singing, dancing, getting together, everything was forbidden..."