Echokammern in den sozialen Medien, Fake News bei Wahlkämpfen, Verschwörungstheorien bei Corona-Demos und auf YouTube-Kanälen. Es ist für den Normalbürger gar nicht einfach, die Vielzahl an Informationen einzuordnen, die tagtäglich auf ihn einprasseln. Dies wird noch dadurch verschärft, dass viele – und das teilweise gar nicht unbegründet –traditionellen Printmedien und TV-Nachrichtensendungen nicht mehr glauben. Stichwort „Lügenpresse“.
Die Digital-Expertin, Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig hat zu diesem Thema – in nur zwei Monaten – ein Buch geschrieben: „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online!“ Bei der virtuellen Vorstellung ihres Buches im „Cafe Brandstätter Extrazimmer“ bezeichnet sie ihr 5. Buch als ein „Best of“ ihrer bisherigen Werke, adaptiert an aktuelle Ereignisse wie die Corona-Krise oder an die Impfdiskussionen.
Ihr Erstlingswerk „Der unsichtbare Mensch“ erschien im Januar 2014, dann folgten „Hass im Netz“ (2016), für das sie mit dem Bruno Kreisky-Sonderpreis ausgezeichnet wurde, „Lügen im Netz“ (2017) und zuletzt „Übermacht im Netz“ (2019). Im Mittelpunkt ihres neuen Buches stehen insbesondere Debattenkultur, rhetorische Tricks und Methoden der Überzeugungsarbeit gegenüber Personen, die zumeist unverschuldet auf Verschwörungstheorien oder diffuse Informationen reingefallen sind.
Brodnig erwähnt in diesem Zusammenhang immer wieder den Begriff der „wertebasierten Kommunikation“. Man solle versuchen, emotionsgeladene Diskussionen zu vermeiden und stattdessen mit dem Kontrapart einen gemeinsamen Werteboden zu finden. Bei einer Konfrontation über Bill Gates beispielweise könne man auf die ambivalente Privatisierung der Gesundheitspolitik durch Multimilliardäre hinweisen, gleichzeitig aber betonen, dass durch die Corona-Impfung keine Mikrochips in die Haut implantiert werden, um Gates zur Weltherrschaft zu verhelfen (wie es diverse Verschwörungstheoretiker verlautbaren).
Herabschätzungen wie „Covidioten“ sind absolut zu vermeiden, denn unter dieser Prämisse können Diskussionen nicht geführt werden. Vielmehr solle man mit Anhängern diffuser Theorien zurückhaltend und schonend ins Gespräch kommen und dann mittels Fakten versuchen, ihre Wertvorstellungen ins Schwanken zu bringen. Auch Fragen nach der Quelle ihrer „Erkenntnisse“ können hilfreich sein. Brodnig erzählt in diesem Konnex von einer Demonstrantin bei einer „Querdenker“-Demo in Berlin, die behauptete, der PCR-Test führe zu einer Verletzung der Blut-Hirn-Schranke. Ihre Erläuterungen waren durchaus wissenschaftlich fundiert, mit einem „Schönheitsfehler“, die Blut-Hirn-Schranke befindet sich nicht in der Nase.
Ein Phänomen der Kognitionspsychologie, das erstmals in den 60ern wissenschaftlich untersucht wurde, stellt dabei oft ein Aufklärungs-Hindernis dar, der sogenannte „confirmation bias“. Darunter bezeichnet man die Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen. Andersdenkende sind dann manchmal nicht mehr gewillt, sich andere Meinungen anzuhören und zu akzeptieren und bezeichnen oftmals sogar den Diskussionspartner als desinformiert.
Brodnig empfiehlt bei Gesprächen und bei Postings in sozialen Medien, nicht die Falschmeldung zu erwähnen, sondern das Richtige zu betonen, und das wiederholt. Man bezeichnet diesen psychologischen Trick als „illusory truth effect“. Dieser wird derzeit vor allem von aalglatten Polit-Blendern und Verschwörungstheoretikern missbraucht, die mittels einfacher, emotionaler und stetig wiederholender Botschaften ihre Adressaten manipulieren und indoktrinieren.
Hilfreich bei der Argumentationsarbeit sind laut der Autorin auch Bilder und Infografiken („Truthiness Effect“). Diese Erkenntnis wurde durch wissenschaftliche Studien der Politologen Jason Reifler und Brendan Nyhan erhärtet, die Anhängern der republikanischen Partei Fakten zur Klimakrise vorlegten. Die Informationen über die Erderwärmung in Bildform wirkten besser als jene in Textform.
Die Gründe, warum Menschen auf Verschwörungstheorien und Fake News reinfallen, sind laut Brodnig vielfältig: Angst, Verunsicherung, Wut über die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Zustände, aber auch ein allgemeines Misstrauen gegenüber dem Staat und der Wissenschaft.
Dass Politiker und traditionelle Medien an dieser Entwicklung nicht unschuldig sind, ist evident. Verschwörungstheoretiker fabulieren oft von einer „Gleichschaltung der Medien“. Betrachtet man nur die österreichische Corona-Berichterstattung der letzten Monate, dann ist bei den meisten Medien (die aufgrund mangelnder Presseförderung auf staatliche Inserate teilweise in Millionen Höhe angewiesen sind) eine Regierungs-Tendenz nicht abzustreiten. Eine derartige „Message Control“ ist allerdings der beste Nährboden für Botschafter „alternativer Fakten“…
Ingrid Brodnig: Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern - in der Familie, im Freundeskreis und online. (Brandstätter Verlag).