Bei den zahlreichen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen stehen immer wieder Verstöße gegen die Maskenpflicht auf der Tagesordnung. Der Verfassungsgerichtshof beschäftigte sich im Rahmen der ersten Session 2021 mit dem Gegenteil, und zwar einem Verstoß gegen ein Maskenverbot.
Der Beschwerdeführer ist ein Unterstützer der bekannten Tierschutzorganisation VgT und protestierte im Juni 2018 bei der Veranstaltung „NÖM Milchstraße“ in Baden gegen die Bedingungen der Milchwirtschaft in Österreich. Er verteilte Flyer und trug während dieser Tätigkeit ein Kuhkostüm samt Kuhmaske. Nach mehrfacher vergeblicher Aufforderung der Polizei, die Maske abzunehmen, wurde er festgenommen. Sowohl die Bezirkshauptmannschaft Baden als auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich verurteilten den Aktivisten zu einer Geldstrafe zuerst 150, dann 70 Euro wegen Verstoßes gegen das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes.
Der Beschwerdeführer wandte sich daher nach Erschöpfung des Instanzenzuges an den Verfassungsgerichtshof und machte eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsfreiheit (Art. 10 MRK) geltend. Der Tierschützer habe „auf eine bestimmte aktionistische Weise seine politische Meinung kundgemacht“.
Rechtliche Grundlage der Verurteilung ist das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, das die Integration (!) fördern soll und am 1. Oktober 2017 in Kraft getreten ist. Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 2/1 begeht, „wer an öffentlichen Orten seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind“. Im Absatz 2 werden einige Ausnahmegründe vom Verhüllungsverbot normiert (wie eine „Verhüllung im Rahmen künstlerischer, kultureller oder traditioneller Veranstaltungen“.). Bei diesen handelt es sich nach Meinung des VfGH nicht um eine taxative (abschließende) Aufzählung.
Die freie Meinungsäußerung wiederum kann in unterschiedlicher Art und Weise vorgenommen werden, sprachlich, durch Plakate, Aufdrucke, Symbole, künstlerische Ausdrucksformen oder sonstige Verhaltensweisen, „wenn und insoweit diesen gegenüber Dritten ein kommunikativer Gehalt zukommt“. Dazu gehört auch das Einsetzen von Stilmitteln wie dem Tragen eines Kuhkostüms und einer Kuhmaske.
Die Ausnahmebestimmungen des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes sind daher verfassungskonform in dem Sinne zu interpretieren, dass eine Verhüllung mit einer Tiermaske im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt sein muss. Aufgrund der Präjudizialität von VfgH-Entscheidungen sind damit weitere Demonstrationen der Tierschützer mit Schweine-, Hühner- oder Kuhmasken gesichert. Sie sind dadurch ja auch authentischer…