„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – Das ist einer der Standardaussagen von Joseph Beuys, der selbst zu einem der größten Künstler des 20. Jahrhunderts wurde. In den Jahren 1979 und 1980 belegte der deutsche Aktionskünstler, Bildhauer und Zeichner Platz 1 im „Kunstkompass“, einer Weltrangliste der 100 bedeutendsten Gegenwartskünstler, und zwar vor Robert Rauschenberg und Andy Warhol (!).
Beuys wurde am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren. Zu seinem 100. Geburtstag widmet ihm das Belvedere 21 eine Sonderausstellung unter dem Titel „Joseph Beuys – Denken, Handeln, Vermitteln!“, die einen spannenden Überblick über seine künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Aktivitäten bietet.
Tartarenlegende
Der Aktionskünstler war stets einheitlich gekleidet mit Jeans, weißem Hemd, Anglerweste und Filzhut. Der in der Ausstellung aufgehängte Filzanzug dagegen gilt nicht als Kleidungsstück, sondern als Symbol für Wärme und Energie. „Sie rieben meinen Körper mit Fett ein, damit die Wärme zurückkehrte, und wickelten mich in Filz ein, weil Filz die Wärme hält.“ Die sogenannte „Tartarenlegende“ über seine Rettung nach einem Flugzeugabsturz auf der Krim während des 2. Weltkrieges war tatsächlich eine. Aber eine perfekt inszenierte Bio-Fabel über seine Lieblingsmaterialien Fett und Filz.
Professor Beuys
Beuys studierte nach dem Krieg an der Düsseldorfer Kunstakademie und wurde 1961 dort selbst auch Professor für monumentale Bildhauerei. Er setzte sich stets für einen freien Studienzugang ein und nahm Anfang der 70er alle abgewiesenen Studenten in seine Klasse auf, die dann aus insgesamt 400 Studenten bestand. Nach einer wiederholten Besetzung des Sekretariats wurde Beuys fristlos entlassen, sein Atelier und den Professorentitel durfte er behalten.
Soziale Plastik
„Eine Gesellschaftsordnung wie eine (soziale) Plastik formen, das ist meine und Aufgabe der Kunst“, so Beuys. Jeder Mensch solle dabei seine kreativen Potentiale entwickeln und diese im Sinne des Gemeinwohls einsetzen. Auch politisch forderte der Künstler die Mitbestimmung des Volkes in Form von direkter Demokratie.
Eine seiner bekanntesten Installationen war die „Honigpumpe zum Arbeitsplatz“ (1977). Dabei wurden 150 kg Honig durch eine elektrische Lebensmittelpumpe 18 Meter in die Höhe und wieder zurück in einen Edelstahlkessel befördert. Die transparenten Kunststoffschläuche führten dabei auch durch das temporäre Büro des Künstlers, in dem Beuys mit den Besuchern diskutierte. Laut Diktion von Beuys „im Blutkreislauf der Gesellschaft“. Die Ausstellung im Belvedere 21 zeigt die einzelnen Bestandteile, Videoausschnitte und Fotos der damals aufsehenerregenden Aktion. Wer Beuys´ Redeschwall beim ORF-Club 2 im Jahre 1983 miterleben will, kann es sich vor einem TV-Schirm bequem machen.
Vienna Calling
Einen Schwerpunkt legt die im Untergeschoß platzierte Ausstellung auf dessen Aktivitäten in Wien. 1966 präsentierte Beuys erstmals seine Zeichnungen in der Galerie nächst St. Stephan, ein Jahr später sorgte er ebenfalls dort für Nervenkitzel mit seiner Aktion „Eurasienstab 82“, deren Ablauf – in Verbindung mit der Orgelmusik des Komponisten Henning Christiansen – keineswegs spontan, sondern minutiös durchgeplant war.
Teil der Ausstellung ist auch die Installation „Basisraum Nasse Wäsche“ (1979), die - als Kritik auf die Übersiedlung des Museums moderner Kunst in das noble Palais Liechtenstein – in der Galerie nächst St. Stephan entstanden ist. Beuys, 1980 Gastdozent an der Hochschule für angewandte Kunst (mit deren Rektor Oswald Oberhuber er zahlreiche Veranstaltungen, Aktionen und Vorträge organisierte), war damals auch im Gespräch als Professor für Gestaltungslehre Ein Angebot, das er allerdings letztendlich ausschlug.
Grün-Protagonist
Beuys war Unterstützer der Grünen und trat 1979 auch als Kandidat fürs Europaparlament an. Seine politischen Aktivitäten waren allerdings aufgrund mangelnder interner Unterstützung erfolgloser als seine öffentlichkeitswirksamen Aktionen. „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ lautete das Motto für seine Aktion „7000 Eichen“, die er im Rahmen der documenta 7 für Kassel konzipierte. Beuys ließ 7000 Basaltstelen auf dem Friedrichsplatz aufhäufen. Eine einzelne Spende von 500 DM (ca. 260 Euro) hatte zur Folge, dass eine Stele entfernt wird und gleichzeitig das Recht erworben wird, eine Eiche zu pflanzen. Die Aktion fand erst nach dem Tode Beuys im Jahre 1987 ihr Ende.
Als Tribut an den großen Künstler wurde am 3. März im Skulpturengarten des Wiener Belvedere 21 eine Stieleiche eingepflanzt. Ein wichtiges Zeichen für eine Millionenstadt wie Wien, sich grüner Werte zu besinnen und eine „Zurück zur Natur“-Revolution einzuläuten. Beuys hätte es gefallen, Greta Thunberg natürlich auch…