„Homophobie, Ungleichbehandlung, Korruption und Fucking Corona wegputzen“ – Das waren die starken Worte der als Putzfrau verkleideten Drag Queen und Moderatorin Tommy Mascara bei der Abschlusskundgebung der 25. Regenbogenparade in Wien. Und tatsächlich war die seit 1996 stattfindende politische Demonstration nicht nur ein Statement für eine freie Gesellschaft, Gleichheit und Toleranz, sondern hatte auch einen Symbolcharakter für einen Restart der Lebenslust.
Zehntausende Menschen bewegten sich mit Start vom regenbogenbeflaggten Burgtheater den Ring andersrum über Staatsoper, Stubenring, Schwedenplatz, Universität Wien zurück zum Rathausplatz. Bunt und schrill gekleidet, fröhlich feiernd, tanzend zur Musik aus kleinen, mitgeschleppten Boxes – Soundtrucks wurden dieses Jahr nicht zugelassen – mit Dosenbier in der Hand, viel nacktem Fleisch und politischen Messages wie „Teach LGBT“ (mit Reaktion auf das ungarische Verbot von Aufklärungskampagnen in den Schulen) oder „The First Pride was a Riot“ (als Reminiszenz an die Stonewall Riots 1969).
Vor der Universität Wien tanzten die Jugendlichen zu Nenas Klassiker „99 Luftballons“, im Rathauspark wurde geschmust, geflirtet und gechillt, einige wagten sogar ein Bad im Springbrunnen, der Rathausplatz voll von exzessiv feiernden Party People zu heißen Beats von Britney Spears, Lady Gaga und den Black Eyed Beas. Ibiza Tempo Fiesta in einer Stadt, in der 15 Monate lang durch die Corona-Pandemie die Party-Szene lahmgelegt wurde und die Jugendlichen in engen Wohnungen, in dunklen Kellern oder in öffentlichen Freiräumen (wie dem Karlsplatz oder dem Donaukanal) ihre analogen sozialen Kontakten pflegten.
Die diesjährige Regenbogenparade, die wie üblich das Finale der Vienna Pride (mit zahllosen Events, Lesungen, Führungen, der Virtual Pride Stage,...) darstellte, stand unter dem Motto „Stay Safe, Stay Proud“. Während allerdings die Corona-Pandemie durch die steigende Durchimpfungsrate (vermutlich) dem Ende entgegengeht, kann von einer Gleichstellung und Gleichbehandlung der LGBTIQ-Community bei weitem nicht gesprochen werden.
Bis 1971 war Homosexualität in Österreich sogar ein gerichtlicher Straftatbestand, der erst durch die Kreisky-Regierung gestrichen wurde. Die meisten Diskriminierungen (wie beispielsweise das unterschiedliche Schutzalter für Homosexuelle, das Adoptionsverbot oder das Verbot der Ehe für homosexuelle Paare) wurden erst durch Urteile des VfGH und des EGMR beseitigt. Der Grund liegt darin, dass sich seit über 30 Jahren in der österreichischen Bundesregierung eine erzkonservative Partei, die ÖVP, befindet, die alle gesellschaftlichen, progressiven Änderungen ablehnt.
Das Zitat „Mitgefangen, mitgehangen“ müssen sich leider die Grünen gefallen lassen, die bei dieser Regenbogenparade u.a. mit Vizekanzler Kogler, Gesundheitsminister Mückstein, Justizministerin Zadic und der Nationalratsabgeordneten Dziedzic (als Rednerin bei der Abschlusskundgebung) zwar prominent vertreten waren, bei entscheidenden Abstimmungen im Parlament aber ihre eigenen Prinzipien verraten haben.
Zu den wichtigsten Forderungen der Pride Community zählen aktuell eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes (der wie in den meisten europäischen Staaten nicht nur das Arbeitsleben, sondern auch die sonstigen Dienstleistungen wie die Miete einer Wohnung oder den Besuch eines Lokals umfasst), das Verbot von Konversionstherapien, das Verbot medizinisch unnötiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen, die freie Personenstandswahl ohne bürokratische Hürden und die diskriminierungsfreie Blutspende für Homo- und Bisexuelle.
Die pinken Mühlen mahlen in der Politik leider langsam. Mit der Planung der 26. Regenbogenparade 2022 kann daher daher bereits wieder begonnen werden. Wer vorher ein Zeichen für die Rechte der LGBTIQ-Community setzen will, kann ja ein Flug- oder Bahn-Ticket nach Kopenhagen buchen. In der dänischen Hauptstadt findet zwischen 12. und 22. August die Europride 2021 statt…