Aufgrund der stetigen Zunahmen an Gewaltdelikten in und außerhalb von Wohnungen wurde im Jahr 2019 ein umfangreiches Gewaltschutzpaket geschnürt, das insgesamt 25 Gesetzesänderungen umfasst. Seit dem 1. Jänner 2020 kann gemäß § 38 a Sicherheitspolizeigesetz gegen Gefährder sowohl ein Betretungs- als auch ein Annäherungsverbot verhängt werden.
Das Betretungsverbot bezieht sich dabei auf die Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und auf einen Bereich im Umkreis von hundert Metern. Das Annäherungsverbot untersagt dem Gefährder, sich dem Opfer im Umkreis von hundert Meter zu nähern. Insofern sind hier auch der Arbeitsplatz oder der Arbeitsweg präventiv geschützt. Opfer können zusätzlich eine einstweilige Verfügung bei Gericht beantragen, die im Maximalfall bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptverfahrens gewährt werden kann.
Mit 1. September 2021 ist eine zusätzliche Komponente des Gewaltschutzpakets in Kraft getreten, und zwar die Gewaltpräventionsberatung. Der Gefährder hat binnen 5 Tagen ab Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots ein Gewaltpräventionszentrum zu kontaktieren. Die Beratung hat dabei längstens binnen 14 Tagen ab Kontaktaufnahme stattzufinden.
Diese Gewaltpräventionsprogramme, die unmittelbar nach dem Angriff die Situation beruhigen sollen, werden in den einzelnen Bundesländern von NGO´s angeboten. Den Zuschlag erhielten dabei aufgrund einer EU-weiten Ausschreibung der Verein Neustart (Wien, OÖ, NÖ, Steiermark, Burgenland), die Caritas (Kärnten), der Psychosoziale Pflegedienst (Tirol) und das Institut für Sozialdienste (Vorarlberg). Die Gewaltpräventionsberatung soll, aufgeteilt auf 3-4 Termine, 6 Stunden dauern und inkludiert verschiedenste Themenbereiche (wie Wege aus der Gewaltspirale, rechtliche Konsequenzen und Kontakte zu Anti-Gewalt-Trainings).
Skeptisch über die verpflichtende Gewaltpräventionsberatung zeigt sich der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl in einem ZIB-Interview: „Man könne niemanden zu einer Therapie verpflichten. Eine diesbezügliche Einsicht ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie auf Zwang basiert.“
Die hohen Verwaltungsstrafen bei Weigerung der Beratung (bis zu 2500 Euro bzw. im Wiederholungsfall bis zu 5000 Euro) dürften aber zumindest in ärmeren Kreisen zu einer regen Teilnahme führen…
Anm.: Im ersten Halbjahr des Jahres 2021 wurden 6504 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt…