„For the first time“ heißt das im Februar 2021 erschienene, vielumjubelte Debüt-Album des siebenköpfigen Londoner Kollektivs „Black Country, New Road“. For the first Time spielte die sympathische Combo auch in Österreich, und zwar beim zweiten Wochenende des Kremser Donaufestivals.
Die Trademark der Band wurde per Zufallsgenerator auf Wikipedia gefunden. „Black Country New Road“ ist der Name einer Straße in den englischen West-Midlands, interpretiert im Sinne einer „Flucht von einem schlechten Ort“. Die Songs der Briten sind zumeist über fünf Minuten lang, teils kompliziert verschachtelt ohne das übliche Strophe-Refrain-Schema und gerade deswegen so faszinierend. Die Texte stammen vom Sänger und Gitarristen Isaac Wood, der beim Live-Auftritt (von der Besucherseite) ganz links platziert wurde und in melancholischen Spoken Words über das Alltagsleben junger Engländer erzählt. Die Geigerin Georgia Ellery und der in der Mitte groß aufspielende Saxophonist Lewis Evans sorgen für den swingenden Background der immer wieder mit Überraschungseffekten gestreuten Tracks (wie „Opus“ oder „Sunglasses“). „Es ist Partymusik. Selbst die traurigen Stücke klingen ziemlich glücklich“, so Evans im „The Face“-Talk. Kann man nur bestätigen. Die Festival-Crowd war begeistert vom bunten Stil-Mix aus Rock, Post-Punk, Klezmer und Alternative.
Die aus Berlin stammende, in Wien lebende Rosa Anschütz brillierte bereits am späten Nachmittag in der Kremser Minoritenkirche. Die junge Avantgardekünstlerin präsentierte im coolen roten Lederjacken-Look Soundcollagen aus ihrem ersten Album „Votive“, ein perfektes, atmosphärisches Zusammenspiel zwischen Vocals, Synthi-Beats und kongenialen Licht-Effekten. Anschütz war laut ihrer Biographie bereits als Kind fasziniert vom vom weiten Hall der Kirche, die Location daher die ideale Wahl für ihren Auftritt beim Donaufestival.
Eine spannende Techno-Installation stand in den Österreichhallen – so frei nach dem Motto „Die Zukunft ist die Vergangenheit“ – auf dem Programm. Der deutsche Elektronik-Musiker und (ehemalige) Professor für Sounddesign an der Universität der Künste in Berlin, Robert Henke, positionierte auf der Main Stage fünf antiquierte Commodore CBM 8032 aus dem Jahre 1980 und erzeugte damit Klänge, Farben und Töne, die theoretisch schon damals produziert hätten werden können. Was damals noch gefehlt hat: „Die Idee der Kunstfähigkeit des Computers, 30 Jahre Klangkunstgeschichte und der inzwischen selbstverständliche Wille, eine Ästhetik des Digitalen zu gestalten und zu performen.“
Zahlreiche weitere internationale und nationale Acts läuteten – trotz aller Reise-Restriktionen und Covid-Maßnahmen – ein erfolgreiches Comeback des zuletzt im April 2019 stattgefundenen Donaufestivals ein: Die ambient-verhangenen „Lost Girls“ aus Oslo rund um die großartige Sängerin Jenny Hval, das enthusiastische Jazz-Blas-Ensemble „Decolonize your Mind Society“ aus Ungarn, die New Wave-angehauchte Conny Frischauf aus Wien, die australischen Kraut-Glam Rock-Avantgardisten „Die Orangen“, spiritueller R&B-Sound der in New York lebenden Devi Mambouka (aka Masma Dream World) oder die Londoner Produzentin und DJ Loraine James, die gegen Mitternacht in der Halle 2 die Dancefloors mit ihren Club-Beats vibrieren ließ.
Das nächste Donaufestival findet bereits in wenigen Monaten statt, und zwar an den traditionellen Frühlingswochenenden vom 29. April bis 1. Mai und 6. bis 8. Mai 2022. Die Vorfreude ist bereits jetzt groß…