3 junge Mädchen im New Yorker Little Italy vor einer Häuserfassade, die Spaß daran haben, Kaugummiblasen zu fabrizieren und wieder platzen zu lassen. Ein Bild unbeschwerter Jugend mitten im Großstadtdickicht. Die junge, ursprünglich aus Baltimore stammende Fotografin Susan Meiselas hat Carol, JoJo und Lisa in den 70ern zufällig kennengelernt und hat diese beim Erwachsenwerden visuell begleitet. Die erste Zigarette, die ersten Küsse, der erste Liebeskummer, das unbeschwerte Tanzen am Strand ohne Eltern bis zur Hochzeit und Familiengründung. „Prince Street Girls“ nennt sich diese wunderbare, lebensjahende und melancholische Foto-Serie, die derzeit im Wiener Kunsthaus im Rahmen der Meiselas-Retrospektive „Mediations“ zu sehen ist.
Die Teenager-Erinnerungsfotos der drei Mädchen, mit denen Meiselas jetzt noch in Kontakt ist, zählen neben den Studenten-Porträts der „44 Irving Street“ und den „Carnival Strippers“, bei denen die Fotografin Jahrmarkt-Stripperinen und ihr Umfeld (teils begleitet von Audio-Tönen) abgelichtet hat, zu den Frühwerken der späteren New Yorker Magnum-Fotografin. Ende der 70er reiste Meiselas zufällig nach Nicaragua und wurde dort Zeugin einer Revolution. Die sozialistischen Sandinisten putschten gegen den damaligen Präsidenten Anastasio Somoza Debayle, der danach aus dem Land flüchtete. Eines der Fotos von Meiselas ging in die Geschichte ein. Auf dem Bild ein Mann, der Che-Guevara-ähnlich einen Molotov-Cocktail gegen die Soldaten-Armee des Diktators wirft, der „Molotov Man“.
„Wenn Bilder einmal in die Welt gesetzt wurden, dann gehören sie nicht mehr nur dir allein“, so Meiselas. Das war – trotz aller rechtlichen Barrieren – vor den sozialen Medien nicht anders. Die Fotografin zeigt in ihrer dreiteiligen Installation „Mediations“ eine Reihe von Originalbildern, den Hintergrund und wie diese Fotos in den verschiedensten Medien verwertet (und teils auch missinterpretiert) wurden. Der „Molotov Man“ selbst wurde zu einem Symbol der Revolution und ist auf Wänden, Streichholzschachteln, Broschüren und T-Shirts abgebildet. Die politische Situation dagegen hat sich nicht verändert. Der einstige Rebellenführer Daniel Ortega wurde selbst zum einem autoritären Herrscher, gegen den die Menschen seit Jahrzehnten auf die Straße gehen. Ein brillantes Facebook-Posting (das als Postkarte in der Ausstellung gratis erhältlich ist), zeigt unter dem Text „40 Years later“ ein frappant ähnliches Doppel-Bild mit dem Molotov Man aus dem Jahr 1978 und einem Widerstandskämpfer des Jahres 2018.
Weitere Schwerpunkte der Ausstellung sind häusliche Gewalt und das Leben in Frauenhäusern („A Room of their Own“) bzw. das langfristige Multi-Media-Projekt „Kurdistan“, das mittels Fotografien, Videos, Websites und schriftlichen Unterlagen Genozid und Diaspora der Kurden seit 1991 dokumentiert.
„Mediations“ ist von 16. September 2021 bis 13. Februar 2022 im Kunst Haus Wien zu sehen.