"Selbstauslöserin": Margot Pilz-Retrospektive in der Kremser Kunsthalle!

„Selbstauslöserin“ heißt die erste Retrospektive der nunmehr 85jährigen Margot Pilz in der Kunsthalle Krems. Ein spannender Titel, der einerseits die Technik der großteils solo agierenden Künstlerin als auch deren Lebensspirit umfasst. „Ich habe nicht gewartet, bis mich jemand fragt. Ich habe oft die Initiative ergriffen“, so Pilz in einem ausführlichen Interview im Ausstellungskatalog.

 

Geboren wurde Pilz 1936 im niederländischen Haarlem. Nach einer Flucht vor den Nationalsozialisten nach Indonesien kam sie dort gemeinsam mit ihrer Mutter in Kriegsgefangenschaft. Eine Erfahrung, die sie in einer auch in Krems zu sehenden Installation („Once upon my Time – Java 1942“) verarbeitet hat. Seit 1954 lebt sie in Österreich, war dort als Werbefotografin tätig und stets konfrontiert mit einer Frauen als Objekt behandelnden „verlogenen Branche“. 1978 wurde sie bei einem Frauenfest in Wien wegen einer harmlosen Bemerkung („Lassen Sie ihre Aggressionen bitte nicht an uns Frauen aus!“) von der Polizei festgenommen.

 

Dies war gleichzeitig die Initialzündung für Pilz, feministische Akzente in der Kunst zu setzen. Die direkt nach der Entlassung entstandenen teils als Bondage konzipierten Selfies („Sekundenskulpturen“) sind – als Frühwerk der sozial und gesellschaftlich engagierten Künstlerin – in der weiträumigen Säulenhalle zu betrachten. Unmittelbar umgeben von kürzlich entstandenen Keramikskulpturen und renommierten Serien der 80er wie „The White Cell Project“, in der Pilz sich - in einer 1,65 m hohen Zelle (die ihrer Körpergröße entspricht) – ablichten hat lassen. Pilz als durchtrainierte Anti-Aging-Vertreterin mit Hanteln in der Hand, gleichzeitig auch Konterfei am Frontgebäude der Kunsthalle, darf hier ebenfalls nicht fehlen.

 

Margot Pilz war in den 90ern eine verkannte, jetzt allerdings anerkannte Pionierin der Medienkunst. Die mit kleinen Video-Screens ausgestatteten Skulpturen sind –  gemeinsam mit einem die Vergänglichkeit des Menschen thematisierenden Video-Clip („Celebration“) – in einem verdunkelten Raum der Kunsthalle zu sehen. Eine elegant inszenierte Installation mit vier Spiegeln und einem mit einer Mini-Kamera infiltrierten Rind („Cyber Knowledge“) wird – weltpolitisch aktuell – nur durch einen Satz übertroffen: "Der Mensch als gefährlichster Primat dieser Erde".

 

Eigens für die Kunsthalle Krems geschaffen wurde eine auch im Wiener Stadtpark als Lichtinstallation zu bewundernde Neonröhren-Kreation der Frauenrechtlerin Pilz: „Göttin schuf Eva“. Es handelt sich dabei um eine feministische Variation der Schöpfung Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle.

 

Im Erdgeschoß der Kunsthalle setzt Pilz starke umweltpolitische Akzente. Im Jahr 1982 inszenierte sie einst im Rahmen der Wiener Festwochen „Kaorle am Karlsplatz“. Ein Sandstrand vor der Karlskirche mitten in der „Großstadtwüste“ mit Sonnenschirmen und feiernden Menschen. Ein Konzept, das heute alle urbanen Metropolen der Welt ungefragt kopieren.

 

 

Für Pilz sind diese Zeiten vorbei. In der Kunsthalle Krems steht eine isolierte Palme vor einem blauen Mauer-Hintergrund, der Sand angereichert mit Mikroabfällen und Plastikmüll. Wenn die Verschmutzung der Meere bald nicht gestoppt wird, dann ist es zu spät. Eine politische Anklage von Pilz, die überzeugender nicht sein kann…