Neue § 15a-Vereinbarung für Kindergärten: Länder verhindern einheitliche Standards!

Von „Kindergartentanten“ spricht heute keiner mehr, und die Kindergärten haben schon längst nicht mehr den Ruf als „Aufbewahrungsstätten“. Und trotzdem genießt die für die Zukunft der Kinder so wichtige Elementarpädagogik bei weitem noch nicht die politische, budgetäre und gesellschaftliche Anerkennung, die ihr eigentlich zustehen sollte.

 

„Kindergartenmilliarde“ war das PR-Schlagwort, mit dem die türkis-grüne Regierungskoalition (und vermutlich hätten es andere Fraktionen nicht anders gemacht) die für die nächsten 5 Jahre geltende 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern präsentierte. Insofern fast eine Provokation, als Sozialpartner und IV diese Milliarde pro Jahr (!) forderten, das Forschungsinstitut Eco Austria sogar 1,6 Milliarden, um den Anschluss an die skandinavischen Vorbildländer zu schaffen. Tatsächlich aber beträgt der bis in das Jahr 2027 reichende Zweckzuschuss des Bundes nur 5 x 200 Millionen Euro.

 

Besuchspflicht

 

Davon entfallen 80 Millionen Euro auf die Besuchspflicht, die mindestens 4 Tage pro Woche und 20 Stunden umfasst. Die Länder verpflichten sich dabei, einen beitragsfreien Besuch sicherzustellen. Dies inkludiert allerdings nicht die Verabreichung von Mahlzeiten und die Teilnahme an Spezialangeboten, was Alleinerziehende, Mehrkinderfamilien bzw. einkommensärmere Familien bereits vor immense finanzielle Probleme stellen kann. Von einem zweiten verpflichtenden kostenfreien Kindergartenjahr ab 4 ist schon längst keine Rede mehr.

 

Ziele

 

Hauptziele der Zuschüsse sind der Ausbau der Kinderbetreuung, die frühe sprachliche Förderung, die Stärkung mathematisch-technischer und naturwissenschaftlicher Kompetenzen und die Förderung des musisch-kreativen, emotionalen, psychosozialen und physischen Entwicklungsstandes. Die Anzahl der außerordentlichen Schüler soll sich pro Bundesland bis zum Ende der Vereinbarungsperiode um mindestens 10 Prozent reduzieren. Derzeit haben bei Schuleintritt 18 Prozent der Kinder einen Sprachförderbedarf.

 

Betreuungsquote

 

Der EU-Rat legte 2002 (!) in den Barcelona-Zielen fest, dass bis 2010 33 % der unter 3jährigen elementare Bildungseinrichtungen besuchen sollen. Dieses Ziel wurde bis heute nicht erreicht, 2020 betrug die Betreuungsquote gerade einmal 27,6 %.  Bei den 3- bis 6jährigen liegen die Quoten weitgehend über dem EU-Wert von 90 Prozent, hier sollen vor allem „zur Beseitigung regionaler Defizite Anreize für die qualifizierte Ganztagesbetreuung geschaffen werden, die mit einer Vollbeschäftigung der Eltern vereinbar ist. Österreichweit erfüllen dies derzeit nur 55 Prozent der Kindergärten, in Wien allerdings 94 %.

 

Gruppengröße und Personal-Kind-Schlüssel

 

Der Plan der Regierung, bundesweite Mindeststandards für Gruppengröße und Betreuungsschlüssel festzulegen, ist am Widerstand der Länder gescheitert. Ein eklatantes Versagen der österreichischen Bildungspolitik. Denn dazu gibt es eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse, die einer Umsetzung bedürfen. 

 

Laut Experten sollte eine Gruppe höchstens 20 Kinder umfassen. Bei den unter 3jährigen sollten nicht mehr als 12 Kinder in einer Gruppe sein. Der Personal-Kind-Schlüssel, also die Anzahl der Pädagogen und Assistenten im Vergleich zur Anzahl der Kinder, sollte mindestens 1:10 betragen, d.h. bei höchstens 20 Kindern eine Pädagogin und eine Assistenzkraft. Bei Kindern unter 3 Jahren sollte eine Pädagogin bzw. ein Pädagoge nicht mehr als 6 Kinder betreuen (1:6). Wie sieht es derzeit in der Praxis aus? Österreichweit reicht der Betreuungsschlüssel bei den unter 3jährigen zwischen 1:3,5 und 1:7,5 bzw. bei den Älteren zwischen 1:10 und unhaltbaren 1:16,7. 

 

Arbeitsbedingungen

 

Ein Thema, das in der §15a-Vereinbarung überhaupt nicht tangiert wird, sind die Arbeitsbedingungen der Elementarpädagogen. Man fordert zwar ein flächendeckendes Betreuungsangebot, einen flächendeckenden Ausbau (inkl. Fokus auf noch unterversorgte Regionen) und eine Verlängerung und Flexibilisierung der Öffnungszeiten, vergisst aber dabei, dass man dazu motiviertes und qualifiziertes Personal braucht und die Rahmenbedingungen passen müssen. 

 

„So schlecht, wie ihr mich bezahlt, kann ich gar nicht arbeiten!“ stand auf einem Schild einer Demonstration der Kindergartenpädagogen im Herbst 2021. Und das Problem ist nicht nur die zu geringe Entlohnung, sondern auch die Arbeitssituation in den Kindergärten. Vom oft viel zu großen Personal-Kind-Schlüssel (der zu Stress, Druck und Überforderung führt) bis hin zur räumlichen Ausstattung der Kindergärten und zum fehlenden erwachsenengerechten Mobiliar. Viele Beschäftigte leiden nicht nur an emotionaler, psychischer Erschöpfung, sondern auch an Kreuzschmerzen, Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich und an Migräne. Nicht ausreichend sind auch die damit in Konnex stehenden Supervisionsangebote für Elementarpädagogen. 

 

Dies hat zur Folge, dass einerseits Elementarpädagogen frühzeitig in Pension gehen, andererseits viele junge Absolventen kurz nach der Ausbildung oder einem Praktikum den Kindergartenbetrieb wieder verlassen. „Derzeit würden österreichweit jährlich rund 2500 diplomierte Elementarpädagogen ausgebildet, die aber überwiegend nicht in den Beruf einsteigen oder nach kurzen Zeit wieder aussteigen. Es gibt keine deutlichere Rückmeldung an nicht passende Arbeitsbedingungen“, so Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementare Bildung (NEBÖ) in einer APA-Aussendung.

 

Die (leichte) Erhöhung der finanziellen Mittel ist zwar ein richtiger Schritt, die wirklich „heißen“ Themen wurden aber nicht angepackt. Für die heranwachsenden Kinder eine grobe Fahrlässigkeit. Denn: Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung (John F. Kennedy)…