„Sunshine, Peace, Happiness“ – So kann man die Stimmung auf der 27. Regenbogenparade in Wien bezeichnen, die mit 98 Teilnehmergruppen und mehr als 300.000 Besuchern zu der zweitmeistfrequentierten Parade aller Zeiten zählt. Die erste Regenbogenparade fand 1996 zwischen Oper und Universität Wien statt, mit gerade einmal 25.000 Besuchern. Als Vorbild diente laut Mitbegründer Andreas Brunner New York, dort wo auch der Christopher Street Day seinen Ursprung hatte. Am 27. Juni 1969 leisteten Homosexuelle und Transgender im Lokal Stonewall Inn erstmals Widerstand gegen die Polizeigewalt und die grassierenden Diskriminierungen. Daraus resultierten weltweite Demonstrationen der LGBTIQ-Bewegungen am sogenannten „Christopher Street Day“, in Österreich hat sich die Trademark „Regenbogenparade“ durchgesetzt, die eben nicht nur Party, Tanzen und Lebensfreude widerspiegelt, sondern auch eine politische Demonstration ist.
„Together we rise“ war das Motto der diesjährigen Parade, die wie immer – andersrum – entgegen der Fahrtrichtung der 5,2 km langen Ringstraße führte und eine breite Palette an unterschiedlichen Teilnehmergruppen enthielt: Von den LGBTIQ-Protagonisten (wie der Hosi Wien, der Türkis Rosa Lila Villa, dem Gay & Fetisch-Verein LMC Vienna, der Queer Base, der Aids Hilfe Wien oder der Szene-Ikone Conchita „Spreading Happiness“), politischen Parteien und Interessensvertretungen (wie der SoHo, den Grünen Andersrum, den Neos, dem ÖGB oder dem ÖAMTC), Wiener Clubs (wie dem Why Not gemeinsam mit der Felixx Bar, dem Techno-Epizentrum Exil, dem O-Club als Veranstalter der offiziellen Pride Night oder dem Werk) bis hin zu Banken, Softwareunternehmen, Getränke- und Schokoladefirmen, die die Parade augenscheinlich auch als Promotion für ihre Produkte verwenden. Ob dort die Firmenpolitik tatsächlich so divers, tolerant und anti-diskriminierend geführt wird oder die Identifikation mit der LGBTIQ-Bewegung nur der Umsatzsteigerung dient, das sei dahingestellt. Der linksgerichtete Verein Funke dürfte ebenfalls seine Zweifel haben. Deren Motto bei der Parade: „Gegen Pinkwashing – Für den Sturz des Kapitalismus!“
Im Mittelpunkt der politischen Message des Pride Month und der Parade steht der volle Diskriminierungsschutz für die LGBTIQ-Community. Laut einer europäischen Studie aus dem Jahr 2020 erfuhren 43 Prozent aller Befragten persönlich Diskriminierung oder Belästigung wegen ihrer sexuellen Orientierung, 21 Prozent fühlten sich am Arbeitsplatz trotz des EU-weiten Schutzes diskriminiert, 11 Prozent der Homosexuellen wurden sogar innerhalb der letzten 5 Jahre körperlich oder verbal angegriffen.
Österreich ist dabei keinesfalls Vorreiter, sondern liegt aufgrund des fehlenden Diskriminierungsschutzes nur auf Platz 20 (!) des Länderrankings der Ilga Europe. Während die Bürger im Bereich der Arbeitswelt aufgrund von sechs Diskriminierungsgründen (Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion bzw. Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung) geschützt sind, existiert im Privatleben KEINEN Schutz aufgrund der sexuellen Orientierung, der Religion und Weltanschauung bzw. des Alters. Hauptanwendungsbereich ist der „Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum“. Heißt fallspezifisch, dass Lokalbesitzer Homosexuelle aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihrem Wirtshaus oder Beisl schmeißen dürfen oder Vermieter offen Schwule, Lesben oder Transgender als Mieter ablehnen dürfen, ohne rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.
Skurrile Fälle nennt das von der Hosi Wien publizierte Positionspapier „Levelling Up“. So ist ein Kellner als Arbeitnehmer in einem Lokal geschützt vor der Homophobie des Besitzers, nicht dagegen die Gäste. Eine HTL-Schülerin ist geschützt, da die HTL als Berufsausbildung gilt, nicht dagegen eine Gymnasiastin, da Bundesschulen nicht unter den Diskriminierungsschutz fallen. Eine weitere Kuriosität in diesem Zusammenhang: Die Gleichbehandlungsgesetze der neun Bundesländer enthalten alle einen vollen Diskriminierungsschutz, dieser gilt aber natürlich nur für deren Kompetenzbereiche.
Die LGBITQ-Community fordert daher – neben der Erweiterung des Schutzgrundes „Geschlecht“ um Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmale und Geschlechtsausdruck – ein bundesweit einheitliches Gleichbehandlungsgesetz, das einen vollen Diskriminierungsschutz für queere Personen enthält. Zuletzt wurde dies von der ÖVP 2015 – trotz einer fertigen rot-schwarzen Regierungsvorlage – abgelehnt. Eine rechtliche Situation, die für Schwule, Lesben und Transgender untragbar ist. Man darf gespannt sein, ob sich nach der nächsten Nationalratswahl neue Mehrheiten ergeben. Ein #Schutzfüralle – so der Hashtag – ist längst fällig…