Nina Kraviz und Deborah de Luca im pyramidenartigen Techno-Club Cocorico, Italo-Legende Gabry Ponte in den Altromondo Studios, die Underground House-Kult-DJ´s Peggy Gou und Black Coffee auf dem prall gefüllten Open Air Beach vor Sonnenuntergangskulisse, die Summer Pride von Rimini mit mehr als 15.000 Besuchern auf der Strandpromenade Lungomare Tintori mit straighten Messages gegen Diskriminierung und Rassismus.
Die italienische Strand-Hochburg Rimini an der wunderschönen Adria ist in Sachen Nightlife und Clubkultur Ibiza knapp auf den Fersen. Und will im Jahr 2026 noch höher hinaus. Die 150.000 Einwohner-Stadt mit rund 3,5 Millionen Touristen (2017) jährlich will 2026 italienische Kulturhauptstadt werden. Das wird jetzt eigentlich nur jene verblüffen, die in Rimini bis dato nur den Strand, die bagni, die Bars und Diskotheken direkt an der Strandpromenade genossen haben (was ja kein Fehler ist), damit aber viel Kultur und Historie versäumt haben.
Römische Kolonie Ariminum
Rimini ist nämlich tatsächlich eine sehr alte Stadt. Archäologische Funde gibt es aus der Ära der Kelten, der Umbrer oder der Etrusker. Im Jahr 268 v. Chr. gründeten die Römer die Kolonie Ariminum, abgeleitet vom Fluß Ariminus (heute: Marecchia), der nahe der Siedlung in die Adria mündete. Es ist ein Vergnügen, vor allem an den nicht so heißen Vormittagen durch die wunderschöne Altstadt zu flanieren und die zahlreichen antiken Sehenswürdigkeiten Riminis zu betrachten. Im östlichen Teil direkt neben dem Fischerhafen kann man über die Tiberiusbrücke spazieren. Diese wurde einst von Kaiser Augustus 14 n. Chr. in Auftrag gegeben, fertiggestellt wurde sie erst von seinem Nachfolger Tiberius 21 n. Chr.
Augustus selbst nützte Rimini als Hauptquartier im Kampf gegen die Illyrer und ließ die von Rom ausgehende Via Flaminia bis nach Ariminum verlängern. Die Einwohner bedankten sich für diese Aktion durch den Bau des Augustusbogens, der noch heute den westlichen Eingangsbereich in die Altstadt darstellt. 1989 feierten die Historiker auf der Piazza Ferrari mitten in der Stadt einen Sensationsfund. Bauarbeiter stießen überraschend auf antike Mosaike, bei weiterführenden Grabungen wurde ein Haus eines Arztes (domus del chirurgo) mit zahlreichen chirurgischen Instrumenten aus dem 3. Jahrhundert gefunden.
Fellini-Museum im Castel Sismondo
Zwei besondere Sehenswürdigkeiten der Altstadt wurden unter der Herrschaft des Fürsten und Kunstmäzen Sigismondo Pandolfo Malatesta (1467-1468) errichtet, einerseits der (unvollendete) Tempio Malatestiano, der als Grabmal konzipiert war, andererseits das Castel Sismondo. Dieses diente einst als päpstliche Festung, dann als Gefängnis. Heute ist die Burg und deren Außenbereich Veranstaltungslocation für kulturelle Events. Im Sommer 2023 wurde beispielsweise eine Adaption des „Alice im Wunderland“-Stoffes aufgeführt, inklusive mittels Ballonen fliegende Schauspieler, Lichtprojektionen, Musik und Tanzchoreographien.
Außerdem ist die Burg seit 2021 – neben dem Malatesta Square und dem legendären Fulgor-Kino (mit einer im Außenbereich platzierten Rhinozerus-Skulptur aus „Schiff der Träume“) – Sitz des 2021 eröffneten Fellini-Museums. Der fünffache Oscar-Gewinner Federico Fellini (La Strada, Die Nächte von Cabiria, 8 ½, Amarcord plus Lebenswerk) wurde 1920 in Rimini geboren und erhält durch die kreative Mischung aus Interaktionen, Immersionen und Informationen eine besondere Würdigung durch seine Heimatstadt. Besondere Highlights: Die riesige Anita Ekberg-Plüsch-Figur, auf der man sitzend die Trevi-Brunnen-Szenen aus dem Kult-Film „La Dolce Vita“ (mit Marcello Mastroianni und eben Ekberg) betrachten kann, die Bilder-Galerie seiner Ehefrau Giuletta Masini mit einem schnellen Motorrad in der Mitte, die auf vier Leinwänden projizierten Rimini-Motive aus dem Film „Amarcord“ und natürlich die lässigen Filmeinspielungen seines Lieblingsschauspielers Marcello Mastroianni, der mit seinem smarten Look wohl auch heute noch die Young Generation becircen würde.
Die Altstadt Riminis bietet aber nicht nur zahlreiche kulturelle und historische Highlights, sondern lädt auch zum Shoppen und Flanieren an. Vor allem in der langen Fußgängerzone der Corso d´Augusto warten Fashion-Luxusmarken, Handtaschen und Handwerkskunst auf Touristen und Einheimische. Straßencafes, Bistros und Tavernen locken mit gastronomischen Angeboten (von Piadinen, Pasta- und Fischspezialitäten bis hin zu formidablen Weinen), Buskers sorgen bis tief in die Nacht für lässige Unterhaltung.
Rimini Revisited
Zwei besondere Ausstellungen widmeten sich im Sommer 2023 der Strandkultur Riminis und schließen damit den Kreis. Im Castel Sismondo werden unter dem Titel „Rimini Revisited“ 173 Fotoaufnahmen des 1964 in Rimini geborenen Star-Fotografen Marco Pesaresi gezeigt: Ein schillernder, extravaganter und emotionaler Streifzug durch die Strände, Parties und traditionellen Treffpunkte der Adria-Metropole, der bereits vor 20 Jahren - kurz nach dem überraschenden Tod Pesaresis im Dezember 2001 – für Furore gesorgt hat. Reminiszenzen an die Vergangenheit bietet auch die Open Air-Ausstellung „Tutti al mare – 180 anni in vacanza a Rimini“, die auf einer 2,5 km langen Route direkt am Meeresstrand zwischen Bagno 47 und 100 platziert wurde. Sie zeigt auf einzelnen Tafeln mehr als 200 Bilder und Plakate riminesischer Bade-, Mode- und Gesellschaftskultur der letzten 180 Jahre.
1843 erstes Seebad in Rimini
In Rimini wurde am 30. Juli 1843 von den Grafen Alessandro und Ruggero Baldini und dem Arzt Claudio Tintori das erste Seebad an der Adria gegründet. Im Jahr 1868 erfolgte ein Neubau mit Seebrücke, Restaurant und mondänem Kursaal für die Feste der Reichen und Schönen. Die erste wichtige Hotelanlage Riminis wurde 1908 gegründet, das luxuriöse Grand Hotel, das für das einst arme Kind Federico Fellini als „Zeichen für Reichtum, Luxus und orientalische Üppigkeit“ stand. Durch seine Filmerfolge selbst Teil der Upper Class, übernachtete Fellini dort oft in seiner Lieblingssuite. Es war traurigerweise auch jener Ort, an dem der Starregisseur einen Schlaganfall erlitt (der als Folge zu seinem Tod führte). Der wunderschöne Park am Fuß des Grand Hotels wurde zu seinen Ehren „Parco Federico Fellini“ benannt. Die schönsten Fotomotive: Der „Springbrunnen der vier Pferde“ und der riesige Fotoapparat, der einst 1948 von seinem Schöpfer Elio Guerra als Photo-Shop verwendet wurde. Er gilt als Synonym für die „Rimini Riviera“ und für den durch den Fellini-Film „La Dolce Vita“ namentlich geprägten „Paparazzi“-Irrsinn. Der im 21. Jahrhundert durch die Instagram-Mania abgelöst wurde.
Nach dem Entstehen des ausländischen Massentourismus in den 60ern bekam Rimini häufig das Etikett des „Teutonengrills“. Diese Bad Image-Zeiten haben sich allerdings längst verändert. Rimini bietet einen erstklassigen 15 Kilometer langen Strand mit 250 (kostenpflichtigen) Bagni. Wer sich den Eintritt sparen will, kann auf den Free Beach (Spiaggia Libera) nahe dem Hafen am Piazzale Boscovich ausweichen (was viele junge Einwohner Riminis tun). Ein 55 m hohes Riesenrad ermöglicht einen tollen Ausblick auf die Küste Riminis. Am Abend lockt das fast gänzlich vom Meer umgebene Rock Island mit Tribute-Bands und Newcomern.
Riminis Strände sind aufgrund ihrer Flachheit und geringer Ebbe-Flut-Bewegungen bestens geeignet für Familien und Kinder, seit 2018 tragen sie die Auszeichnung der blauen Flagge („bandiera blu“) für ausgezeichnetes Wasser und Nachhaltigkeit (wie Mülltrennung), Sportbegeisterte haben eine riesige Auswahl zwischen Beachvolleyball, Basketball, Radfahren oder der neuen Trendsportart Padel Tennis, die Parties für House-, Reggaeton- und Discofreaks, egal ob tagsüber am Strand oder in den Clubs, locken die besten DJ´s und Live-Acts der Welt nach Rimini. Die neue Trademark der italienischen Kulturhauptstadt 2026 wäre in jeder Hinsicht mehr als verdient. Daumen drücken für Rimini!