„Zukunft für alle – Handelt jetzt!“: Das war das Motto des weltweiten Klimastreiks am 15. September 2023 in Österreich. In Wien beteiligten sich mehr als 20.000 Klimaaktivisten an der Demonstration, darunter viele Kinder und Jugendliche, aber auch Wissenschaftler, NGO´s (wie Greenpeace oder Amnesty International), die Parents for Future oder die Omas gegen Rechts. Die Forderungen reichten vom Beschluss eines neuen Klimaschutzgesetzes (hier ist die türkis-grüne Bundesregierung bereits rund 1000 Tage in Verzug) und des Erneuerbare Wärme-Gesetzes, dem Aus für fossile Energieträger, der Abschaffung umweltschädlicher Subventionen bis hin zu einer Bodenschutz-Strategie. In diesem Bereich hat der WWF mit dem Bodenreport 2023 neue, brisante Fakten geliefert, die eigentlich jeden vernünftigen Politiker zum sofortigen Handeln animieren sollten.
Bodenverbrauch und Versiegelungsgrad
So betrug der heimische Bodenverbrauch in den letzten 3 Jahren (2019-2021) durchschnittlich 11,3 Hektar pro Tag. Dies entspricht der Fläche von 16 (!) Fußballfeldern. Und das, obwohl im türkis-grünen Regierungsprogramm ein Maximal-Wert von 2,5 Hektar pro Tag für 2030 festgelegt wurde. Dramatisch sind auch die Versiegelungs-Grade: 41 Prozent des beanspruchten Bodens sind mit einer wasserundurchlässigen Schicht aus Beton oder Asphalt überzogen, was bedeutet, dass der Boden kein CO2 aus der Atmosphäre mehr langfristig speichern kann. Im Jahr 2021 betrug der Versiegelungsgrad sogar unfassbare 58 Prozent, die davon betroffene Fläche von 21 km2 ist höher als jene des Wörthersees.
Überschwemmungen und Hitzeinseln
Die Folgen dieses immensen Bodenverbrauchs sind in jeder Hinsicht schädlich für das Klima, die Sicherheit und die Gesundheit in Österreich. Bei Regenfall kann der verbaute Boden kein Wasser mehr aufnehmen, welches dadurch oberirdisch abrinnt und die Gefahr von Überschwemmungen erhöht. Umgekehrt entstehen durch die Bodenversiegelung unerträgliche Hitzeinseln vor allem in den Städten. Am Wiener Naschmarkt wurden im August 2023 auf der „Parkplatzwüste“ 69 Grad gemessen. Eine unzumutbare gesundheitliche Belastung insbesondere für Senioren, Kinder und Hunde.
Aufteilung nach Sektoren
Bundesländer-Spitzenreiter beim Bodenverbrauch ist die Steiermark (3,1 Hektar pro Tag) vor Oberösterreich (2,3 Hektar) und Niederösterreich (2,1 Hektar). Laut Statistik Austria ist der Bodenverbrauch in Österreich seit 2001 um 27,9 Prozent gestiegen, die Bevölkerung dagegen nur um 10,9 Prozent. Insgesamt wurden in Österreich bis dato 5804 km2 verbaut (was 1/5 des nutzbaren Siedlungsraumes entspricht), 46 Prozent betreffen Bauflächen (2657 km2), 36 Prozent Verkehrsflächen (2083 km2) wie Autobahnen, Straßen, Parkplätze und Bahnflächen. Der Rest wird aufgeteilt zwischen Betriebsflächen (671 km2) und Erholungs- und Abbauflächen (393 km2).
Zersiedelung der Ortsgebiete
Eine der Hauptursachen für den hohen Bodenverbrauch ist die Zersiedelung in den ländlichen Regionen, und das, obwohl es laut Umweltbundesamt mindestens 40.000 Hektar an ungenutzten Gebäuden und Gewerbeflächen gibt. Eine bundesweite Leerstands-Datenbank wurde trotz Fixierung im Regierungsprogramm bis dato nicht eingerichtet. Während die Ortszentren immer mehr aussterben, werden an den Ortsrändern riesige Gewerbeparks und Fachmärkte (inkl. Parkplätzen) gebaut. Man spricht vom unrühmlichen „Donut-Effekt“, der die Autoabhängigkeit in diesen Gebieten immens erhöht. Die Anzahl und Fläche der Fachmarktzentren hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, laut einer Branchenstudie existieren aktuell 280 Fachmärkte mit einer Verkaufsfläche von 6,4 Millionen Quadratmetern. Mit über 1,5 Quadratmetern Einkaufsfläche pro Kopf liegt Österreich europaweit auf Platz 3 hinter Belgien und den Niederlanden.
Zeit für eine Mobilitätswende
Auch beim Straßenverkehr ist Österreich leider negativer Vorreiter. Das Straßennetz besteht aus rund 128.000 Kilometern, das sind 14,3 Meter Straße pro Person. Deutschland und die Schweiz weisen nur rund 10 Meter pro Kopf auf. Laut Umweltbundesamt ist ein Kilometer, der mit einem Diesel- oder Benzin-betriebenem Auto zurückgelegt wird, über 15 mal so klimaschädlich, wie ein Kilometer mit der Bahn. Es ist daher längst Zeit für eine echte Mobilitätswende Richtung Fuß-, Rad- und Bahnverkehr. Die Statistik lässt allerdings wenig hoffen. So wurden in Österreich seit 1995 230 Bahnstationen und 655 Bahnkilometer stillgelegt, und das vor allem in den regionalen, autoabhängigen Regionen.
Maßnahmen
Die Maßnahmen zur Senkung des Bodenverbrauchs liegen allesamt auf dem Tisch, die jeweilige Regierung – gewählt wird spätestens wieder im Herbst 2024 – muss sie nur umsetzen. Der WWF und Fridays for Future fordern primär ein Bodenschutzgesetz und einen Bodenschutz-Vertrag zwischen Bund, Länder und Gemeinden, in dem die Reduktionsziele verbindlich festgelegt werden. Raumordnungspolitisch zweifelhafte Umwidmungen (wie aktuell das „Mini-Dubai“ in Grafenwörth) können durch eine teilweise Verlagerung der Kompetenzen von den Gemeinden in Richtung Länder verhindert werden. Eingeführt werden sollte ein interkommunaler Finanzausgleich, der die Kommunalsteuer unter den benachbarten Gemeinden verteilt und nicht gänzlich der Ortschaft zuteilt, in der ein Projekt verwirklicht wird.
Kritisiert werden vom WWF auch die zu hohen Schwellenwerte der Umweltverträglichkeitsprüfung und die klimaschädlichen Subventionen, die laut WIFO bis zu 6 Milliarden Euro jährlich ausmachen. Alle Gesetze und Verordnungen sollten verpflichtend auf ihre Folgen für das Klima, die Biodiversität und den Bodenverbrauch geprüft werden.
Es ist fünf Minuten nach 12. Zeit zu handeln. Es geht um unsere Umwelt, unsere Tiere und Pflanzen und schlussendlich um die Lebensqualität unserer Bürger.