Female Power: Dave Stewart mit „Eurythmics Songbook“ live im Berliner Tempodrom

„Als Annie und ich zusammen lebten, schrieben wir keine Songs zusammen. Erst als die Beziehung beendet war, produzierten wir 120 Stücke“. Eine witzige Anekdote, die Dave Stewart gerne bei seiner Europa-Tour zwischen seinen hochkarätigen Songs einstreut. In der Royal Festival Hall in London präsentierte der stets mit Hut auftretende 71jährige britische Popstar zum ersten Mal sein „Eurythmics-Songbook“, die Kritiken waren so enthusiastisch, dass eine World Tour keiner Überredung mehr bedurfte. Zum 40. Jubiläum des All Time-New Wave-Classics „Sweet Dreams“, der die Eurythmics – nach jahrelang mäßigem Erfolg (immerhin ein Top Ten-Hit als „The Tourists“) – in den Pop- und Rockolymp schoss.

 

Nicht mit dabei: Die einstige, stets androgyn gestylte, charismatische Sängerin Annie Lennox, die zuletzt 2022 mit Stewart bei der Aufnahme der Eurythmics in die Rock´n Roll Hall of Fame aufgetreten ist. „Annie wollte nicht mehr auf Tour gehen, das hat sie nie gemocht. Es ist ein anstrengendes Leben“, so Dave Stewart in einem Interview. Stattdessen steht Stewart im Berliner Tempodrom gemeinsam mit einer Band von acht (!) Frauen auf der Bühne, drei davon übernehmen den Part von Annie Lennox: Dave Stewarts Tochter Kaya, die Australierin Vanessa Amorosi (deren Karriere bei den Olympischen Spielen in Sydney mit dem Superhit „Absolutely everybody“ begann) und die aus Manchester stammende Soulsängerin RAHH. Die weiblichen Bandmitglieder wurden von Dave Stewart, teils auch über Instagram, persönlich selektiert. 

 

Die Setlist der rund 90 Minuten langen Show reicht von Frühwerken (wie der ersten Single „Never gonna cry again“ als Opener), dem im Kim Basinger-Mickey Rourke-Erotikstreifen „9 ½-Wochen“ platzierten „The City never sleeps“, den Superhits der 80er (wie „Love is a Stranger“, „Who´s that Girl“, „Thorn in my Side“ oder „When tomorrow comes“) bis hin zur Comeback-Single „I saved the World today“ aus dem Jahr 1999. Eine Reunion kurz vor der Jahrtausendwende, im Rahmen der die Eurythmics auch wieder auf Tour gingen und dabei die gesamten Gewinne Greenpeace und Amnesty International spendeten. 

 

Die großartige Saxophon-Spielerin Yasmin Ogilvie bekommt beim Instrumental-Classic „Lily was here“ einen Spezial-Auftritt und steht Candy Dulfer um nichts nach. Stewarts Tochter Kaya brilliert an der Seite ihres Vaters beim einzigen UK-Nr. 1-Hit der Eurythmics, „There must be an Angel“ (den sie schon als Fünfjährige auf dem Schoß ihrer Patentante Annie Lennox gesungen hat), und der Ballade „You have placed a chill in my heart“, Vanessa Amorosi transformiert das chillige „Here comes the Rain again“ gegen Ende in eine Rock-Hymne, während RAHH mit ihren Power-Vocals den Missionary Man beschwört. Beim Feminist Anthem „Sisters are doing it for themselves“ (in den schrillen Eighties ein Duett mit der Soul-Legende Aretha Franklin) rocken alle drei Leadsängerinnen gemeinsam die Bühne. Das Finale Furioso natürlich „Sweet Dreams“ in einer Extended Version mit Konfettiregen.

 

Fazit:  Eine großartige Retrospektive, die nicht nur den Fans, sondern auch Mastermind Dave Stewart und seiner Girls Band Spaß gemacht hat. Und obendrein den Sanktus der Eurythmics-Ikone Annie Lennox genießt.