"Not a concert, not a party, not just a show, it´s a Celebration“: Mit diesen vielversprechenden Worten kündigt Bob the Drag the Queen, der „Moderator“ des Abends, die Madonna-Show in der nahezu ausverkauften Berliner Mercedes Benz-Arena an. So frei nach dem Motto „Time goes by so slowly“ um 22.20 Uhr, die Verspätung gehört schon zur Tradition der Madonna-Tour, in den USA wurde dagegen sogar eine Zivilklage eingereicht. But nevermind! Die Fans sitzen ja nicht in einer Wüste ohne Drinks & Snacks, und in einer Stadt, die niemals schläft und in der Clubs tagelang geöffnet haben, gibt es sowieso keine Zeithorizonte. „Welche Drogen nehmt ihr, MDNA oder MDMA?“, eine amüsante Frage Madonnas an das Publikum zu Beginn, die Antwort blieb offen.
Die Shows in Nordamerika wurden aufgrund einer bakteriellen Infektion Madonnas Ende Juni verschoben, die Celebration World-Tour startete daher in London am 14. Oktober 2023 und endet – nach 78 geplanten Gigs - am 26. April 2024 in Mexico City. Die prognostizierten Einnahmen: Mehr als 225 Millionen Dollar weltweit. Madonna hat seit ihrem ersten Release im Jahre 1983 mehr als 400 Millionen Tonträger verkauft und ist damit die erfolgreichste Sängerin der Welt, kurz „The Queen of Pop“. Im Mittelpunkt der Show steht eine Retrospektive auf ihre mehr als 40jährige Karriere, auf eine durchaus unkonventionelle Art und Weise. „A greatest hit doesn´t have to be a song. It can be a wardrobe, it can be a video or a statement“, so der Musical Director Stuart Price. Madonna singt zwar großteils live, einzelne Passagen kommen allerdings vom Band, viele Songs sind gekürzt oder eingebettet in groovige, beatlastige DJ-Sets, eine Live-Band passt da nicht ins Konzept.
Ein mehr als zweistündiger Mega-Mix, dessen Ursprünge in eine Zeit reichen, als Madonna ihre sensationelle Karriere begann, in den frühen 80ern. Die Ära der Hip Hop Culture, der extravaganten Paradiesvögel in den New Yorker Clubs und der scratchenden Underground-DJ´s, in der Madonna Louise Ciccone Teil einer aufstrebenden Künstler-Community wurde. Einer ihrer besten Freunde damals: Avantgarde-Graffiti-Künstler Jean Michel Basquiat, der 1988 an einer Heroindosis starb.
LGBTIQ
Madonnas Reverenz an die wilden Eighties: Eine Rock-Version ihres Dance-Hits „Burning Up“ (mit besonderer Widmung an den Kult-Punk-Club CBGB) und die Disco-Klassiker „Into the Groove“ und „Holiday“ unter einer riesigen Disco-Kugel. Auf dem 230 Meter langen Catwalk rund um Madonna 24 bunt kostümierte, hedonistische und sexy-laszive Waver, New Romantics, Gays, Lesbians, Drag Queens und Transgenders als Reminiszenzen an das schräge New Yorker Nightlife. Damals noch Underground, heute State of the Art. Auch ein Verdienst von Madonna, die sich seit jeher für die Rechte der LGBTIQ-Community einsetzte. „Strike a Pose, Vogue“, der Anfang der 90er durch das brillante David-Fincher-Video gepushte Hit der pinken Szene, folgt etwas später im Act IV der Madonna-Show. Und sogar die Frauenrechtlerin und Sozialaktivistin Evita Peron wird zur Equal-Rights-Botschafterin in der Berliner Arena. Regenbogenflaggen, nackte Rücken mit der Aufschrift „No Fear“ und Plakate mit der Aufschrift „Transgender Rights are human Rights“ schmücken Madonnas Soundtrack-Ballade „Don´t cry for me argentina“.
Scandals
Madonna, Vorbild für zahlreiche Künstlerinnen (egal, ob sie jetzt Lady Gaga, Gwen Stefani oder Ava Max heißen), sorgte im Rahmen ihrer Karriere auch für zahlreiche „Skandale“. Von Nacktfotos aus ihrer Jugend, Verwendung religiöser Symbole in „Like a Prayer“ (die zu einem Stopp der Pepsi-Werbekampagne führten), Hypersexualisierung in Videos wie „Erotica“ oder „Justify my Love“ oder Masturbationen bei der Blond Ambition-Tour (die den Vatikan zu einem Boykottaufruf der Show in Italien provozierten). Geschadet haben ihr diese kaum, heute würde sich darüber keiner mehr aufregen. Und so sind die sich in einem Karussell drehenden schwarz vermummten Männer in Lendenschurz mit Kreuzen heute nur mehr harmlose Staffage für den 89er-Superhit „Like a Prayer“. Der Dancefloor-Hammer „Hung Up“ mit dem lässigen Abba-Sample von „Gimme Gimme Gimme a Man after Midnight“ lässt mit sexy Oben-Ohne-Tänzerinnen kein Auge trocken. Bei „Erotica“ steigt Madonna in den Boxring, bei „Bedtime Stories“ schwebt sie - auf einem riesigen Cube liegend – über den Köpfen der staunenden Fans.
Aids-Tribute
Riesige LED-Screens sorgen während der gesamten Show für eine visuelle Retrospektive von Madonnas „lust for life“. Und sind gleichzeitig Plattform für ein Tribute der 65jährigen Sängerin an die vielen Menschen, die seit den 80ern an Aids verstorben sind. Zu den Live-Klängen der Ballade „Live to tell“ werden dabei Porträts von Keith Haring, Freddie Mercury, Sylvester, Robert Mapplethorpe bis hin zum Star-Fotografen Herb Ritts eingeblendet. Die „Hymne der Überlebenden“ folgt später in der Set-List, und zwar in Form des Gloria Gaynor-Covers „I will survive“, das Madonna unplugged mit Gitarre präsentiert und ihren Kindern widmet.
Encore
Zu den weiteren Highlights der Celebration-Tour zählen „Bad Girl“ (bei dem Madonna von ihrer Tochter Mercy James am Klavier begleitet wurde), „La isla bonita“ (ihr erster Nr. 1 in Deutschland) und das von William Orbit produzierte Techno-Trip-Hop-Brett „Ray of Light“. Wer beim Encore allerdings auf die „Missing Hits“ wartete, der wurde maßlos enttäuscht. „Music“, „4 Minutes“, „Frozen“, „Papa don´t preach“, „Material Girl“, „Deeper and deeper“, „Express yourself“… - Sie alle schafften es trotz kommerziellen Erfolgs, kreativen Anspruchs und garantierter Fan-Begeisterung nicht auf die 35-Track-starke Setlist. Stattdessen wurde ein Mash-Up von Like a Virgin und Michael Jacksons Billie Jean mit Schattenfiguren eingeblendet. So frei nach dem (mit der Rap- und Hip Hop-Queen Nicki Minaj aufgenommenen) Final-Track: „Bitch I´m Madonna“, das ist mein Konzept, meine Choreographie, meine Show.
But no tristesse: Madonnas sexy „Like a Virgin“-Kanal-Trip durch Venedig kann man sich auch auf YouTube anschauen. Und das nach der für Berlin frühen Madonna-Sperrstunde von halb 1 in der Nacht…