Neue politische Parteien: Zumindest die Gründung ist ein Kinderspiel!

Laut einer Linzer Market-Umfrage fordern 41 Prozent, dass es eine grundlegende Änderung des politischen Systems geben sollte. Bei Kanzlerumfragen unter den Spitzenkandidaten der politischen Parteien belegt seit Monaten „NIEMAND“ unangefochten Platz 1. Laut dem aktuellen Demokratie-Monitor fühlen sich 56 Prozent der jungen Menschen zwischen 16 und 26 im Parlament nicht repräsentiert. Nicht die einzigen Alarmzeichen in der politischen Landschaft Österreichs. Was sind die Alternativen? Den Kopf in den Sand stecken und den Anteil der Nichtwähler radikal erhöhen (und damit auf sein Wahlrecht verzichten), jener Partei das Votum geben, die mit lautstarken Protesten gegen das Establishment und einfachen, niemals realisierbaren „Lösungen“ einen Wutbürger-Tsunami entfachen will (auf keinen Fall) oder vielleicht sich selbst einer neuen politischen Bewegung anschließen, die - unabhängig von einem trägen Funktionärsapparat und selbstgefälligen Lobbyisten - innovative Visionen und Werte vertritt? Zumindest der erste Schritt ins kalte Wasser, die Gründung einer politischen Partei, ist einfacher als man landläufig denkt.

 

Die einschlägigen Vorschriften dazu finden sich im zuletzt wieder novellierten Parteiengesetz 2012. „Die Existenz und die Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich“, so die Verfassungsbestimmung im § 1. Insofern ist die Gründung einer politischen Partei frei, „sofern bundesverfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Darunter fällt zum Beispiel das Verbot der Gründung nationalsozialistischer Organisationen. 

 

Für die Gründung einer politischen Partei ist gemäß § 1/4 eine Satzung zu beschließen und beim Innenministerium zu hinterlegen. Mit der Hinterlegung der Satzung erlangt die Partei die Rechtspersönlichkeit. Die Mindestinhalte für die Satzung: Angaben über die Organe der Partei und deren Vertretungsbefugnis, die Rechte und Pflichten der Mitglieder, die Gliederung der Partei und ein Verfahren zur freiwilligen Auflösung der Partei. 

 

Als Organe der Partei sind obligatorisch vorgesehen: ein Leitungsorgan (das seit 2024 nach demokratischen Grundsätzen legitimiert sein muss), eine Mitgliederversammlung (oder eine repräsentative Delegiertenversammlung) und ein Aufsichtsorgan. Welche politischen Inhalte die Partei vertreten will, muss in den Satzungen nicht genannt werden. Im Gegensatz zu Deutschland, wo die politischen Parteien zusätzlich ein schriftliches Programm vorlegen müssen.

 

Neu eingeführt wurde ein Parteienregister, das die Namen der Parteien, die vertretungsbefugten Personen und die jeweils aktuelle Fassung der Satzung zu enthalten hat. Mit Stand Jänner 2024 gibt es laut Parlaments-Website 1312 registrierte politische Parteien in Österreich. Darunter befinden sich nicht nur die im Nationalrat oder den Landtagen aktuell vertrenenen Parteien (wie SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne oder Neos), sondern auch ehemalige Wahlparteien (wie das BZÖ, das Team Strache oder Links) und regionale Wahlparteien (wie das Team Kärnten oder die Liste Dinkhauser). Prominent vertreten ist auch die Bierpartei von Dominik Wlazny, der nach dem zweimaligen Antritt in Wien (bei der Nationalratswahl 2019 und der Gemeinderatswahl 2020) nun bundespolitische Ambitionen hegt. Rund 90 Prozent der politischen Parteien treten kaum in Erscheinung und tragen teils skurrile Namensbezeichnungen. Siehe die Partei für sexuelle Ausschweifungen (P.S.A.), das Hausfrauenkartell oder die Autonom revolutionär subversiv chaotische Hacklerpartei (A.R.S.C.H.-Partei).

 

Um bei einer politischen Wahl anzutreten, muss man allerdings nicht den Status einer politischen Partei nachweisen. Hier reicht es aus, als sogenannte „wahlwerbende Partei“ zu kandidieren. Bestes Beispiel im Jahr 2013: Die Neos, die bei ihrem erstmaligen Antritt als Wahlplattform (gemeinsam mit dem Liberalen Forum und den Julis) angetreten sind. Bei einer Nationalratswahl sind dementsprechend für jedes Bundesland Landeswahlvorschläge zwischen dem Stichtag und dem 58. Tag vor dem Wahltag einzubringen, wobei sich die Kandidatur auch auf einzelne Bundesländer beschränken kann. Voraussetzung für eine Kandidatur sind eine bestimmte Anzahl von Unterstützungserklärungen pro Bundesland, bundesweit insgesamt 2600. Oder wahlweise die Unterstützung von drei Mitgliedern des Nationalrates (was bei neuen Bürgerbewegungen eher nicht anzunehmen ist). Bei einem bundesweiten Antritt ist zusätzlich ein Bundeswahlvorschlag zu erstellen, der zur Teilnahme am 3. Ermittlungsverfahren berechtigt.

 

Wer tatsächlich in den Nationalrat einziehen will, muss seit einer NRWO-Novelle des Jahres 1992 eine Sperrklausel von 4 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen überwinden. Alternative: Ein Grundmandat in einem Regionalwahlkreis, das allerdings bisher noch nie erreicht wurde. Eine schwierige Angelegenheit vor allem für neue politische Bewegungen. 

 

Die 4-Prozent-Hürde gilt als rechtlich umstritten, sie verletzt eigentlich das Prinzip der Gleichheit jeder Wahlstimme. Und der eigentliche Zweck ihrer Regelung, eine Verhinderung der Zersplitterung des Parlaments in viele Kleinparteien, ist nicht ganz nachvollziehbar. Denn eigentlich kann eine Meinungsvielfalt im höchsten Plenum des Staates nur positiv sein. Derzeit bestimmen zumeist die Klubobmänner und Klubobfrauen der „arrivierten“ Parteien, wann die Mandatare ihrer Fraktionen die Hände zu heben haben bzw. wann nicht. Klubzwang in Reinkultur. Wer sein an sich „freies Mandat“ entgegen der Parteilinie ausübt, kann sich nur eines sicher sein. Dass er bei der nächsten Nationalratswahl nicht mehr auf dem Wahlvorschlag aufscheint…