„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, das waren die Worte des SED-Chefs Walter Ulbricht im Juni 1961. Alleine in diesem Monat flüchteten rund 20.000 Menschen in die Aufnahmelager Westberlins, die DDR stand vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Die Abschottungspläne waren eigentlich offensichtlich, trotzdem geschah die sogenannte „Aktion Rose“ unter der Leitung Erich Honeckers überraschend, der westliche Geheimdienst versagte kläglich. Und so wurden am 13. August 1961 bis zum Morgengrauen bereits 68 von 81 Grenzabschnitten mit Stacheldraht geschlossen.
Brandenburger Tor
So auch vor dem Brandenburger Tor, dem in den Jahren 1798-1793 erbauten frühklassizistischen Triumphtor zwischen Pariser Platz und Großem Tiergarten. Wasserwerfer und Schützenpanzer fuhren auf, DDR-Bürger durften ab sofort nicht mehr frei nach Westberlin ausreisen. In den nächsten Wochen wurde eine Mauer mit 155 km Länge errichtet, das Areal rund um das attraktive Brandenburger Tor wurde zu einer gespenstischen Hochsicherheitszone und zu einem Symbol des Kalten Krieges, das – westseitig – auch immer wieder von hochkarätigen Politikern (wie John F. Kennedy oder Ronald Reagan am 12. Juni 1987 mit seiner Aufforderung „Tear down this wall, Mr. Gorbatschow“) besucht wurde. Insofern keine Überraschung, dass dieser Mauer-Bereich (in unmittelbarer Nähe des Reichstages) auch zu den ersten zählte, der am 9. November 1989 „geöffnet“ wurde.
Holocaust Mahnmal
In den 90ern tanzten mehr als eine Million Raver bei der Love Parade zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule, an die Mauer erinnerte dort bald nichts mehr. Abgesehen von dunklen Fotos der Vergangenheit, die den Mauerweg die Ebertstraße südlich begleiten. Unmittelbar neben dem Holocaust Mahnmal Peter Eisenmans, das – in Form von 2711 Betonstelen - an die Ermordung von mehr als 6 Millionen Juden erinnern soll. Das auf einer Fläche von rund 19.000 m2 errichtete Denkmal gilt heute nicht nur als Tourismus-Attraktion, sondern auch als (ambivalentes) Instagram- und Selfie-Motiv, der Breitenwirkung der inhärenten Botschaft „Niemals vergessen. Nie wieder Faschismus“ sollte dies allerdings nicht schaden.
Potsdamer Platz
Geht man den Mauerweg weiter südlich, gelangt man auf den Potsdamer Platz. Dieser war einst in den Goldenen 20ern der Szenetreffpunkt Nr. 1, mit Cafes, Restaurants, Nachtklubs und der ersten Verkehrsampel Europas. Nach der Zerstörung im zweiten Weltkrieg trafen hier der britische, amerikanische und sowjetische Sektor zusammen, die Berliner Mauer (die laut einer Studie der Freien Universität Berlin den Tod von 327 Menschen verursachte), sorgte für fast weitere 30 Jahre für die Entstehung eines trostlosen Niemandslandes. Die letzten originalen Mauersegmente wurden 2008 abgerissen, heute stehen dort nachträglich platzierte Mauerstücke mit Informationsmaterial und Love & Peace-Graffitis. Und was ist aus dem Potsdamer Platz geworden? Ein hypermoderner neuer Stadtbezirk, der seit 1991 quasi auf dem Architekten-Reißbrett entworfen wurde. Inklusive Daimler Chrysler-Quartier, Wolkenkratzern (wie dem Kollhof-Gebäude), Sony Center, Shopping- und Gastrokomplexe, Theater und „Berlinale“-Filmpaläste. Über die Ausführung herrscht – trotz zahlreicher vorgelagerter Ideenwettbewerbe und Ausschreibungen – heute noch immer geteilte Meinungen.
Topographie des Terrors
Weiter entlang der Niederkirchnerstraße, direkt nach dem für renommierte Kunstausstellungen genutzten Martin Gropius-Bau (ehemals westlich) und dem Berliner Abgeordnetenhaus, trifft man auf ein 200 Meter langes Originalstück der Berliner Mauer, die in das Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ eingegliedert wurde. Hier standen zwischen 1933 und 1945 die grausamsten Einrichtungen des Nazi-Apparates, die Zentrale der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), die Reichsführung-SS, der Sicherheitsdienst der SS und das Reichssicherheitshauptamt. Eine Dauerausstellung informiert über die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten.
Checkpoint Charlie
Ein paar hundert Meter weiter kreuzt die Zimmerstraße eine der wichtigsten historischen Straßen Berlins, die Friedrichstraße. Dort liegt nicht nur die Trennungslinie zwischen Berlin-Mitte und Kreuzberg, sondern auch der ehemalige amerikanische Grenzübergang Checkpoint Charlie. Am 27. Oktober 1961 standen sich vor diesem Kontrollpunkt amerikanische und sowjetische Panzer gegenüber. Der Grund: Ein Verstoß der DDR gegen den Viermächtestatus. So mussten Zivilpersonen der amerikanischen Militärmission bei Fahrten nach Ostberlin ihre Pässe vorzeigen. „Es stehen sich sechs Panzer gegenüber, von denen wir alle wissen, diese Panzer würden keinen Krieg entscheiden, aber sie hätten ihn auslösen können“, so der Potsdamer Historiker Martin Sabrow. Innerhalb weniger Stunden löste sich dieser Konflikt auf, die Mauer aber blieb bestehen. Eine original Hinterlandmauer ist heute noch nördlich des Checkpoints Charlie zu sehen, der mit einem weißen Nachbau und verkleideten Soldaten den Touristen das Geld aus der Tasche lockt.
David Bowie
Der Sender Radio Eins ermittelte 2017 die Top 100 Berlin-Songs. Gewonnen hat verdientermaßen Pop-Avantgardist David Bowie mit seinem Song „Heroes“. Bowie lebte zwischen 1976 und 1978 in Berlin-Schöneberg und nahm in den Hansa Studios in der Köthener Straße in unmittelbarer Nähe des Potsdamer Platzes neue Tracks auf. Inspiriert für „Heroes“ (das auch in einer deutschen Version, „Helden“, erschienen ist) wurde Bowie durch ein Liebespaar, das sich heimlich auf einer Bank vor der Berliner Mauer traf und sich zärtlich küsste. Die Zeilen „We can be heroes for just one day“ oder „I wish I could swim like Dolphins can swim“ wurden später zur musikalischen Trademark der erschütternden Kino-Biographie „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Der ehemalige Hauptbahnhof Westberlins ist heute großteils clean, die Drogenszene hat sich verlagert, die Obdachlosigkeit ist geblieben. Der stets bittere Beigeschmack, dass eine Metropole ohne Opfer und Gestrauchelte nicht existiert…