„Bestimmte Phänomene der Popkultur wiederholen sich alle zwei Jahrzehnte“, das ist das Credo des britischen Musikjournalisten Simon Reynolds. In diesem Sinne erwartet uns daher in den 20ern eine zumindest auf der Indie-Rock-Schiene äußerst lässige „Rückkehr der Nullerjahre“, man denke da an so Bands wie Killers, Bloc Party, Franz Ferdinand oder die Arctic Monkeys. Eingeläutet wird die Renaissance der Noughties allen Anscheins aber durch ein weibliches Rock-Quintett, The Last Dinner Party aus London. Eine Band, die nicht durch Social Media-Klicks oder Tik Tok-Videos bekannt wurde, sondern durch Live-Gigs in den angesagtesten Clubs und Bars der britischen Musikmetropole.
Kennengelernt haben sich die Sängerin und Text-Autorin Abigail Morris, Gitarristin Lizzie Mayland und die blondhaarige Bassistin Georgia Davies 2020 im Londoner Musikclub The Windmill, später stießen noch Gitarristin Emily Roberts und die aus Albanien stammende Keyboarderin Aurora Nishevci dazu. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde monatelang im Proberaum geübt, der erste Auftritt als „The Last Dinner Party“ fand erst im November 2021 im „The George“ in London statt. Inspiriert für den originellen Bandnamen wurden die fünf Musikerinnen „by the idea of a huge debauched dinner party where people came together to celebrate with a hedonistic banquet“. Pompös und schrill ist auch das Outfit der Girls, das an Vivienne Westwoods Vintage Punk-Kreationen erinnert.
Die Szene war von den fünf Mädels sofort begeistert. Noch bevor einzelne Songs veröffentlicht wurden, standen The Last Dinner Party als Vorband der Rolling Stones (!) im Hyde Park im July 2022 auf der Bühne, ebenso als Support von Benee, Hozier und Florence & The Machine, die offensichtlich – wie Pop-Avantgardist David Bowie – als eines der Vorbilder der Band gelten. Die zahlreichen Live-Auftritte machten sich bezahlt, und so stürmte bereits die erste kesse Single I will fuck you like „Nothing Matters“ die UK-Top 20. Achtung Männer, die Mädels haben die Hosen an. Produziert werden TLDP übrigens von James Ford, seines Zeichens Produzent der Arctic Monkeys und Florence & The Machine, und damit schließt sich der Kreis.
Am 2. Februar wurde das Debüt-Album von The Last Dinner Party, „Prelude to Ecstasy“, veröffentlicht, der „art-rock-bombast“ (so der Rolling Stone) schoss sofort auf Platz 1 der UK-Charts. Im selben Monat tourte das Quintett durch Europa, und zwar in kleinen Clubs (wie dem Berliner Gretchen, dem Amsterdamer Melkweg oder dem Brüsseler Le Botanique), die in kürzester Zeit alle ausverkauft waren. Auch Österreich hatte die Ehre, beim Karriere-Start der Ladies live dabei zu sein. Als Location wurde der Club Grelle Forelle am Donaukanal auserkoren, ansonsten Location exzessiver Techno-Parties bis weit nach Morgengrauen.
Die Euphorie war bereits beim Debüt-Auftritt der Londoner Band in Wien ungebrochen. Und so drängten schon beim britisch-israelischen Support-Act Lana Lubany die vorwiegend jungen Frauen ganz nach vorne zur Bühne, um ihre neuen Idole hautnah zu erleben, einige bereits im Look-a-Like-Vintage Look mit weißen Rüschenkleidern. Und auch wenn die Bandmitglieder nicht gecastet wurden, eine gewisse optische Typen-Diversität – ähnlich der Spice Girls – ist kaum zu verhehlen.
Hauptsängerin Abigail Morris wirbelt ekstatisch über die Bühne und bringt von der ersten Sekunde an Stimmung in den ausverkauften, prall gefüllten Wiener Club. „Burn alive“, der Opening Track über brennende Liebe, ist dazu der richtige Firestarter, dann kommt schon die neue Single „Caesar on a TV Screen“, ein fast 5 Minuten langes Opus über den Wunsch nach Anerkennung und geliebt zu werden. Themen, die unpathetisch und authentisch ins Herz der Teens und Twens treffen. Beim Track „Gjuha“ tritt Keyboarderin Aurora hinters Mikrofon und sinniert als Exil-Albanerin über die Abgeschottetheit von ihren eigenen Traditionen. „I wish I knew you. When touch was innocent. I wish I knew you. Before it felt like a sin“, das sind die eingängigen Zeilen ihres danach folgenden Indie-Bangers „Sinner“. Coverversionen (wie das auf BBC präsentierte „Dogs days are over“) stehen bei der ersten Headliner-Tour nicht auf der Setlist, nach den Single-Hits „My Lady of Mercy“ und „Nothing matters“ ist die rund 50 Minuten lange Show zu Ende.
Schweißüberströmter Applaus für die neuen Indie Rock-Heroes und gleichzeitig die hundertprozentige Überzeugung, dass man diese Band wohl nie wieder in einer so intimen Atmosphäre erleben werde. Festivals, riesige Konzerthallen und große TV-Shows warten auf die Londoner Newcomerinnen. Nur fünf Tage nach dem Auftritt in der Grellen Forelle erhielten The Last Dinner Party, bereits gekürt zum Sieger beim BBC-Sound of 2024-Poll, von der US-Avantgarde-Musikerin St. Vincent den Brit Award in der Kategorie „Rising Star“. The Future´s so bright, they gotta wear shades…