„Ich fühle mich im Internet extrem sicher und wohl. Dort kann ich alle blockieren, die mich nicht lustig finden oder meine Meinung nicht teilen“. Mit solchen Sagern startet Toxische Pommes ihre 60minütige Bühnen-Show „Ketchup, Mayo und Ajvar“ (Anm.: eine Spezialität der Balkanküche) im ausverkauften Wiener Stadtsaal. Der Großteil des Publikums ist weiblich und ausgesprochen jung. Kein Wunder, man kennt Irina (den Nachnamen verrät sie nicht) aka Toxische Pommes aus den unendlichen Weiten des Internets, aus Instagram und Tik Tok. Alleine auf Instagram, wo sie seit 2020 15 Sekunden lange Satirevideos präsentiert, hat sie aktuell mehr als 188.000 Follower.
Woher ihr Pseudonym basiert? Auf der Auflösung einer toxischen Beziehung und ihrer Vorliebe für Pommes Frites. Ihre Wurzeln stammen aus Ex-Jugoslawien, während des Balkankrieges ist sie als Zweijährige mit ihren Eltern nach Österreich geflüchtet. Die migrantische Lebensgeschichte der hauptberuflichen Juristin ist gleichzeitig Grundlage für ihr Programm, untergliedert in die „Sieben Sünden des Ausländers“.
Vorgetragen werden diese formal schlicht, sitzend vor einem Tisch mit Mikro und schriftlichen Unterlagen wie bei einer Lesung und ohne Videoeinspielungen. Die auch keineswegs fehlen, der frech-realitätsbezogene Wortwitz der Jung-Kabarettistin lässt keine Wünsche offen. Toxische Pommes philosophiert über ihre Kindheit in Wiener Neustadt, in Niederösterreich, „das von einem Mann diktiert wurde, der länger an der Macht war als Vladimir Putin“, über menschenleere Straßen, zurückgezogene Menschen und blaue Hüpfbürgen der FPÖ. Eine Zeit, die von Unwissenheit und Naivität geprägt war, die bald überging in Scham und Neid auf „alles, was ich nicht war“, auf die Sprache, den Nachnamen mit –er, das Schulessen oder die Einfamilienhäuser diverser Klassenkameradinnen.
Aussagen wie „Du siehst nicht aus wie ein Ausländer“ oder „Du bist ein schönes Ausländerkind“ (so übrigens der Titel ihres ersten gerade erschienenen Buches“) treffen da ins Mark der jungen Migrantin. Dass es vermeintlich verschiedene Kategorien von Ausländern gebe, das habe bereits Jörg Haider thematisiert. Die FPÖ unter Strache habe hier neue Dimensionen eruiert, sie „liebt Ausländer, die gegen Ausländer hetzen“. Vor allem bei den Serben wollte Strache immer andocken, Toxische Pommes selbst wurde in Kroatien geboren, es bestehen allerdings familiäre Verbindungen auch nach Montenegro und Serbien. Eine nationale Identität zu finden wäre hier sogar im Herkunftsland schwierig, die Satirikerin bezeichnet sich daher gerne als „Ex-Jugo“.
Interessant sind ihre (absichtlich klischeehaften) Beobachtungen zu den Unterschieden zwischen Österreichern und den Balkanvölkern. Die österreichischen Familien seien viel leiser (außer beim Urlaub in Kroatien) und sagen nicht, was sie wirklich denken. „Kein Nein, sondern Danke oder Vielleicht später“, was wiederum die Migranten in Erklärungsnotstand bringt. Ungeschoren bleibt aber auch nicht das Heimatvolk, u.a. an der Art der Beschimpfungen. „Am Balkan fickt man alles, tot oder lebendig“.
Revue passieren lässt Toxische Pommes auch ihre Studienzeit am Wiener Juridicum. „Jus studieren alle Leidenschaftslosen, die sich ihre Zukunft nicht verbauen wollen“, so die fertige Juristin, die im gleichen Atemzug ein soziologisches Exzerpt über die Studententypen auf ihrer Universität enthüllt, über Burschenschaften, Neureiche mit Seitenscheitel, einer „Aussprache wie Raf Camora“ und „roten Socken“ (um ihre rebellischen Seiten zu zeigen), Ex-Adelige und Jus-Bobos mit Second Hand-Look und Schuhe aus veganem Leder.
Zahlreicher Szenen-Applaus im ausverkauften Wiener Stadtsaal während der 60minütigen Show, gleichzeitig Platz 1 in den Buch-Charts. Toxische Pommes gilt als neue kulturelle Zukunfts-Hoffnung in Österreich. Mit dem Privileg, dass sie sich sogar das Genre selbst aussuchen kann…