Party & Demonstration: 340.000 bei der 28. Regenbogenparade in Wien…

Im Juni 1969 wehrten sich Schwule, Lesben und Transgender zum ersten Mal gegen Diskriminierung und Polizeiwillkür, der Ort: das Stonewall Inn, ein Lokal in der New Yorker Christopher Street. Es war die Geburtsstunde der LGBTIQ-Bewegung, die sich allmählich auf der ganzen Welt verbreitete. In Österreich findet seit 1996 die Regenbogenparade statt, der Name stammt von der ersten Drag Queen Wiens, dem heutigen Galeristen Mario Soldo. 28 Jahre sind seitdem vergangen, und die Mischung aus politischer Demonstration und Love Parade-Party zieht noch immer die Massen an. 340.000 feierten am 8. Juni bei sommerlich-schwülen Temperaturen das Leben, die Liebe und die eigene Identität. „Eigentlich wissen es eh alle, Liebe ist the Place to be“, die Aufschrift auf dem FM4-Truck brachte es auf den Punkt. Einer von insgesamt 92 Fahrzeugen und Gruppen, die zwischen 12 und 18 Uhr wie üblich – gegen die Fahrtrichtung – um die Ringstraße zogen, angeführt von den Guys on Bikes“ mit flatternden Regenbogenfahnen.

 

Teilnehmer

 

Unter den Teilnehmern befanden sich naturgemäß die Protagonisten der queeren Szene Wiens, die Veranstalter der HOSI Wien, die Türkis Rosa Lila Vila, die Buchhandlung Löwenherz, der SM-Verein Libertine (traditionell mit Pferdekutsche), die Aids Hilfe Wien oder die LMC Vienna Leather & Motorbike Community. Aus der Clubszene war u.a. der Volksgarten (mit seiner „Männer im Garten“-Party), der Techno-Club Exil (mit langer Raver-Schar) und die Mangobar Wien vertreten. Viele Firmen, Vereine und NGO´s (wie Absolut – „Proud to mix“, Almdudler, Willhaben, die ÖBB, die Post, ÖAMTC, die Austrian Airlines, Amnesty International,…) unterstützten mit bunt geschmückten Trucks, pinken Messages, Party People auf den LKW´s und heißen DJ-Beats die größte Demonstration Österreichs, Werbe- und Imagefaktor sind zweifelsohne auch nicht zu unterschätzen. 

 

Rechtslage

 

Rund 10 % der Bevölkerung (ca. 900.000 Menschen) fühlen sich der LGBTIQ-Community zugehörig. Die Umsetzung politischer Forderungen gestaltet sich allerdings seit jeher als schwierig, da die rechtskonservative Mehrheit aus ÖVP und FPÖ Reformen ablehnt und Novellierungen (wie die „Ehe für alle“ im April 2019) zumeist nur durch Urteile des Verfassungsgerichtshofes zustandekommen. Dokumentiert wird dies in der aktuell von Justizministerin Alma Zadic herausgegebenen Studie „Befreiter Regenbogen“ über die Rechtslage der Homosexuellen in der Nachkriegszeit. So wurde das Totalverbot von Homosexualität erst im Jahre 1971 aufgehoben, noch bis 2002 wurden über 19jährige Männer verfolgt, wenn sie gleichgeschlechtliche Handlungen mit 14 bis 18jährigen eingingen. Der VfGH klassifizierte dieses gesetzliche Schutzalter für schwule Jugendliche als eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.

 

Fehlender Diskriminierungsschutz

 

Trotz zahlreicher Verbesserungen kann man von einer Gleichstellung der LGBTIQ-Community noch lange nicht sprechen. Besonders rückschrittlich ist Österreich beim Diskriminierungsschutz aufgrund der sexuellen Orientierung. Dieser gilt – ausgenommen auf Landesebene (!) – nur in der Arbeitswelt, nicht beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen des täglichen Lebens. Eine lesbische Kellnerin kann zwar gegen homofeindliche Arbeitgeber vorgehen, aber lesbische Besucherinnen haben keine rechtliche Handhabe, wenn sie aus einem Lokal verwiesen werden oder ein Hotelzimmer nicht bekommen, so die Gleichbehandlungsanwaltschaft. Besonders dramatisch sind Fallkonstellationen, in denen Vermieter schwulen oder lesbischen Pärchen aufgrund deren sexueller Orientierung die Anmietung einer Wohnung verweigern.

 

Im Forderungskatalog der Community stehen weiters das Verbot von Konversionstherapien und das Ende medizinisch unnötiger Operationen an intergeschlechtlichen Kindern. Laut Justizministern Zadic gebe es dazu bereits Entwürfe, diese werden aber vom Koalitionspartner ÖVP abgelehnt. Themengebiete, die auch bei der Pride-Abschlusskundgebung im Pride Village auf dem Rathausplatz von den Aktivisten der Hosi Wien und den politischen Vertretern der gesellschaftlich links-progressiven Fraktionen (SPÖ, Grüne, Neos) aufs Tapet gebracht wurden. 

 

Party in der Pride Village

 

Die Party durfte allerdings nicht zu kurz kommen. Auf der Showbühne begeisterten u.a. Songcontest-Siegerin Conchita Wurst, die personell veränderte schwedische Hit-Combo Alcazar mit der Original-Sängerin Tess und ihrem Superhit „Crying at the discotheque“, die deutsche Eurodance-Band Groove Coverage und Österreichs ESC-Raverin Kaleen. Wie man mit dem von Rechtsextremen unterwanderten Italo-Hit „L´Amour Toujours“ richtig umgeht, zeigten die DJ´s Katie Kace & NicA: Nicht boykottieren, sondern inszenieren als eine gemeinsame Hymne der Liebe und der Lebensfreude.

 

You gotta say yes to another exzess: Für viele Teilnehmer war der Abschluss der Vienna Pride ein ideales Ventil, um die Sorgen der Welt zu vergessen, ihre Sexualität auszuleben und im Rausch der Nacht abzustürzen. Viele After-Parties lockten die Party People in die Wiener Clubs, egal ob Volksgarten, Pratersauna oder Grelle Forelle. 

 

„Ging man gestern durch Wien, konnte man denken, wenn alle Leute wählen gehen, die da bei der Pride Parade schunkeln, sieht die Welt anders aus. Offensichtlich haben sie heute ausgeschlafen“, so der Falter-Herausgeber Armin Thurnher als erste Reaktion auf die EU-Wahl-Ergebnisse vom Sonntag. Tja, „I can´t get no sleep“ (Insomnia) von Faithless beim nächsten Mal als Weck-Jingle speichern…