„Rage“: Erste Solo-Ausstellung der Pussy Riot-Aktivistin Nadya im OK Linz…

„Virgin Mary, Mother of God, banish Putin, banish Putin!“ – So schallte es am 21. Februar 2012 durch die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau. Die Protagonistinnen: Pussy Riot, drei mit Sturmhauben verhüllte Aktivistinnen gegen das Putin-Regime. „Punk Prayer“ hatte für das Kollektiv schwerwiegende Folgen: Eine Verurteilung zu zwei Jahren Lagerhaft wegen grober Verletzung der öffentlichen Ordnung (Rowdytum), weit entfernt von den Familien und den Kindern.

 

Eine der drei, Nadya Tolokonnikova, präsentierte kürzlich im OK (= Offenes Kulturhaus) Linz ihre erste Einzelausstellung. Bezeichnender Titel des düsteren Parcours: „Rage“. Dieser beginnt an sich schon auf dem Platz vor dem Museum. In der dortigen Kapelle hat Nadya ihre „Pussy Riot Sex Dolls“ platziert, Symbole weiblichen Widerstands. Den realen Pussy Riot-Heldinnen wird, anonymisiert unter ihren charakteristischen Balaclavas, in der Rage Chapel die Ehre erwiesen. Inklusive Protestparolen wie „You can´t stop the future with bullets, poisons or prisons“, „Enlightening of the Darkness“. oder „Fear no more“. Höhepunkt ist das im Jahr 2023 entstandene dreiminütige Video „Putin´s Ashes“, in dem Nadya gemeinsam mit zwölf anderen Frauen aus der Ukraine, Weißrussland und Russland ein Porträt Putins in der Wüste verbrannte und die entstandene Asche in kleine Fläschschen füllte.

 

Im Stil von Ai Weiwei ließ Tolokonnikova einen Stock höher ihre eigene, karge Gefängniszelle rekonstruieren. Hungerstreik, Kollektivstrafen, verpflichtende Nähdienste zum Monatslohn von 25 Rubel (= 60 Cent), Drohungen durch Mitgefangene und die Verlegung nach Sibirien ohne sofortiger Informierung der Familie. Das sind nur einige der Widrigkeiten im russischen Strafvollzug, mit denen die Gefangene konfrontiert wurde. Dokumentiert wird die „Langzeit-Performance“ (wie Nadya die „Inhaftierung“ gerne nennt) durch Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Fotos. 

 

Gegenüber der Zelle werden Videos der Pussy Riot-Aktionen in Dauerschleife gezeigt, die die Unverhältnismäßigkeit des russischen Justizsystems darlegen sollen. In einem separaten Raum gedenkt Nadya mit Foto, Kerzen und Blumen dem am 16. Februar 2024 verstorbenen Putin-Gegner Alexei Nawalny. Der Schriftzug „Murderers“ lässt wohl keine Zweifel offen, wen die Künstlerin für den Tod Nawalnys im sibirischen Straflager verantwortlich macht. 

 

Das schärfste Kunstwerk Tolokonnikovas wurde im Treppenhaus des OK installiert, ein überdimensionales „Damokles Sword“, das direkt über den Besuchern der Ausstellung hängt. Ein Synonym für die Situation der putin-kritischen Künstler und Aktivisten, die stets mit der Verfolgung durch die Justiz rechnen müssen. Tolokonnikova selbst steht seit 2023 auf der „Liste der meistgesuchten Krimnellen Russlands“, ihren Wohnsitz gibt sie aus Sicherheitsgründen nicht bekannt, und das ist gut so…

 

RAGE, Nadya Tolokonnikova / Pussy Riot.

21.6.-20.10. 2024, OK Linz